Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)
Existenz erfahren und sie umgehend aus dem tristen Internat geholt hatte. Seither sei in ihrem Leben nichts mehr wie vorher, schloss Catherine lächelnd. Um ihr den Spaß nicht zu verderben, tat Amelia überrascht, obwohl die Geschichte in den Londoner Salons natürlich das Gesprächsthema Nummer eins gewesen war.
Charlotte hingegen schien sich dafür zu interessieren, in welcher Beziehung Amelia zu Alex Cartwright stand, wenngleich sie nur vorsichtige Fragen stellte. Ob sie sich schon begegnet seien? Ob sie gewusst habe, dass er einen Tag früher aus London angereist sei? Nein, hatte sie nicht. Wie schön. Alex und Thomas seien ja so unendlich freundlich zu ihnen, schwärmte sie. Ob sie wisse, dass Alex sehr geschickt reparieren könne? Und erst seine Augen! Zauberhaft fand sie die, im metaphorischen Sinne, wie sie sagte. Das Mädchen verfügte über ein Vokabular, als hätte es Literatur studiert. Ihre Gefühlslage jedoch war äußerst einfach zu durchschauen, wobei Amelia sich für sie bei Alex Cartwright keine Chancen ausrechnete. Arme Charlotte. Sie war vermutlich eindeutig zu jung und unschuldig für diesen Schwerenöter.
Nach der Teestunde zog Amelia sich in ihr Zimmer zurück, um sich bis zum Abendessen auszuruhen. Was hätte sie auch sonst tun sollen? Seit Thomas morgens aus dem Haus gestürmt war, hatte er sich den Tag über rar gemacht, während sie vergeblich auf einen Blick von ihm wartete. Jedes Mal, wenn sie Schritte in der Halle hörte, stockte ihr der Atem, und ihr Herz flatterte wie die Flügel eines Kolibris. Doch niemals war es Thomas gewesen, sondern nur ein Diener, der seinen alltäglichen Pflichten nachging.
Obwohl Missy ihre Unruhe, ihr ständiges Horchen bemerkte, gab sie keinen Kommentar dazu ab. Nur ein mitfühlendes Lächeln spielte um ihre Mundwinkel und ließ erkennen, dass auch die Countess of Windmere Ähnliches durchmachen musste, bis sie ihr Glück fand.
Amelia lag bis auf Hemd und Strümpfe ausgezogen auf dem Bett und ließ den Blick träge über den durchsichtigen blauen Baldachin gleiten. Sie war in Thomas Armstrong verliebt. Und falls es sich nicht um echte Liebe handelte, dann eben um irgendeine andere herzzerreißende Empfindung, die dem sehr nahe kam.
Aber war es nicht nur die Liebe, die ein solches Wechselbad der Gefühle bewirken konnte, wie sie es erlebte. Die einen Menschen von den höchsten Gipfeln in tiefste Abgründe stürzte. Die sie unsicher machte, ob sie überhaupt noch mit beiden Beinen fest auf dem Boden stand, und dafür sorgte, dass sie mit jeder Faser ihres Daseins nach ihm verlangte und danach, dass ihre exzessiven Gefühle endlich ein Ende hatten. Sehnsucht, Zorn, Leidenschaft– auch sie trugen ihr Scherflein bei .
Du lieber Himmel, noch nie hatte sie ihre Gefühle mit solcher Eindringlichkeit erlebt. Jedenfalls nicht mehr seit dem Tod ihrer Mutter. Damals fing sie an, sie nicht mehr zuzulassen, sie zu verdrängen. Hüllte sich in einen schützenden Nebel der Benommenheit, die ihren Schmerz überlagerte, der sie bei jedem Gedanken an ihre Mutter ergriff und der ihr Herz wie mit tausend Dolchspitzen zu durchbohren drohte.
Amelia drehte sich auf die Seite, stopfte sich das Kissen unter die Wange und atmete zittrig aus. Es war berauschend, überhaupt wieder etwas empfinden zu können. Als ob neues Leben sie durchströmte. Aber dieser Zustand barg auch Gefahren, ganz besonders jetzt, wo sie ihr Herz an einen Mann verschenkt hatte, über dessen Gefühle sie sich nicht wirklich im Klaren war. In dem einen Augenblick konnte er sie leidenschaftlich lieben und sie im nächsten behandeln, als wäre er froh, wenn er sie nicht mehr sehen müsste. Er stellte sie nicht wie Lord Clayborough auf irgendein unsichtbares Podest und verehrte sie wie die Jungfrau Maria. Lust und Leidenschaft allerdings dürfte es bei ihm kaum gegeben haben, keine wilden Küsse, keine herrlichen Liebesnächte. Er hätte ihr nur Sicherheit und Schutz geboten, für ihr Geld allerdings. Aber wollte sie wirklich den Rest ihrer Tage so verbringen, so gefühl- und lieblos– jetzt, wo sie wieder den Herzschlag des Lebens in sich verspürte? Eine Frage, die sie bis in den unruhigen Schlaf verfolgte.
Den größten Teil des Tages sonderte Thomas sich ab, ging jeder Gesellschaft aus dem Weg. Allerdings zog es ihn einmal in Richtung der Kinderzimmer, aus denen fröhlicher Lärm klang. Das Jauchzen der Babys und die fröhlichen Stimmen junger Frauen, die er nur zu gut kannte. Durch die leicht
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