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Lemberger Leiche

Lemberger Leiche

Titel: Lemberger Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Ramge
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habe ich den Aktivsport den Fußballern überlassen. Ich habe das Spiel angesehen. Daheim mit meinem Sohn.«
    Irma schrieb Name und Telefonnummer des sportlichen Herrn in ihr Notizbuch, und Schmoll übergab ihm seine Karte und leierte dabei den berühmten TV-Krimi-Spruch herunter: »Rufen Sie mich bitte an, wenn Ihnen noch was einfällt.«
    Damit ließen sie ihn rollen.
    Es ging schon auf Mittag zu. Weit und breit waren keine Spaziergänger, keine Jogger oder Radfahrer unterwegs. Die Weinberge, in denen sonst auch an Wochenenden gemäht,gespritzt oder geschnitten wurde, lagen verwaist in der pelzigen Luft. Irma und Schmoll saßen auf der Bank, schwiegen, schwitzten und spähten den Feuerbacher Weg rauf und runter.
    Schmoll gähnte und sagte: »Das letzte Mal, als ich hier oben war, habe ich an einer Weinwanderung teilgenommen.«
    »Weinwanderung?«
    »Jedes Jahr im August öffnen mehrere Wengerterfamilien ihre Weinberge einen Tag lang für Besucher. Die Gäste wandern über den Lemberg von einem Weinberg zum andern und verkosten die guten Tropfen, die dort gereift sind. Wenn man sich an den Probierständen nicht zwischendurch ein gutes Vesper gönnen würde, bekäme man Probleme, vom Lemberg wieder herunterzukommen.«
    »Ich kapier nicht, wieso derart viel Lemberger in den Weinhandlungen steht«, sagte Irma. »Wieso können solche Mengen auf dem Lemberg wachsen? So groß ist der doch gar nicht.«
    Nun lachte Schmoll und haute sich dabei auf die Oberschenkel wie ein Bayer. Als er sich beruhigt hatte, gab er sein Insiderwissen zum Besten: Die sogenannte Lemberger Rebe, sagte er, laufe andernorts unter den Namen
Blaufränkischer
oder
Blauer Limberger
und stamme aus dem Donaugebiet.
    »Der Lemberger wird in ganz Baden-Württemberg, aber auch in der Pfalz und Rheinhessen angebaut.« Schmoll breitete die Arme aus. »Und natürlich wachsen auf dem Feuerbacher Lemberg neben mindestens zwanzig anderen Weinsorten auch Lemberger Reben.«
    »Aber das lüftet ja nicht das Geheimnis, warum der Berg, auf dem wir sitzen, Lemberg heißt«, bohrte Irma weiter.
    Schmoll dachte: Tadellose Kriminalkommissarin! Lässt nicht locker, bis sie alles ganz genau weiß.
    Er lehnte sich zurück und gab bereitwillig Auskunft: »Dieses Rätsel liegt in vorchristlichen Zeiten. Wenn wirzwei Hübschen nachher noch ein Stückchen den Feuerbacher Höhenweg entlangspazieren, kommen wir an Resten keltischer Befestigungswälle vorüber. Wenn’s stimmt, dann hieß der Höhenzug bei den Kelten Lindenberg, woraus dann vielleicht Lemberg geworden ist.«
    Irma konnte sich nicht mehr für die Vorträge über Lemberger Weinreben und den gleichnamigen Höhenzug bedanken, weil ein Mann in Sicht kam. Er schritt in gemäßigtem Tempo daher, da er eine Gehhilfe mit sich führte, die er rhythmisch auf den Asphalt knallte. Was mehr ins Auge fiel als der Mann, war sein Hund. Ein Hund, der von weitem aussah wie Pippi Langstrumpfs Pferd.
    Schmoll und Irma ließen Herrn und Hund heranspazieren. Bevor sie ihn ansprechen konnten, fragte der Herr, ob es störe, wenn er sich mit auf die Bank setzen würde.
    »Oh nein, Sie stören uns überhaupt nicht«, versicherte Irma mit einladendem Lächeln.
    Der Alte zog seinen Strohhut, sagte: »Grüß Gott. Sorgfalt.«
    Er setzte sich und sein Pippi-Langstrumpf-Hund legte sich zu seinen Füßen. Das sei eine Dalmatinerin, sagte Herr Sorgfalt mit liebevollem Blick auf das Tier. Ihr gemeinsamer Spaziergang über den Feuerbacher Höhenweg sei Tradition und tägliche Pflichtübung.
    »Wie heißt er denn?«, erkundigte sich Irma.
    »Gertrud«, sagte der Alte.
    Worauf die Hündin den Kopf hob, die Nase krauste und die Lefzen zurückzog und ihr Herrchen mit leuchtenden Augen ansah.
    »Sehn Sie, wie Gertrud lacht?«, fragte der Alte. »Das können nur Dalmatiner.«
    Auf die irritierten Blicke von Schmoll und Irma, Blicke, die Herr Sorgfalt wahrscheinlich öfter wegen des Namens und Lächelns seines Hundes geschenkt bekam, erklärte er: »Sie heißt Gertrud wie meine Frau, Gott hab sie selig. Meine Dalmatinerin und ich sind inzwischen zusammen alt gewordenund haben jeder unsere Wehwehchen. Bei mir ist’s das Knie und Gertrud hört außer ihrem Namen fast nichts mehr. Bei Dalmatinern ist Taubheit eine rassespezifische Krankheit.«
    Schmoll nickte, und Irma kraulte Gertrud hinter den Ohren.
    Herr Sorgfalt grinste ein Zahnlücken-Lächeln und sagte: »Sie mag junge Frauen, so wie ich auch.«
    Irma streichelte und tätschelte, und die Getupfte

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