Lemberger Leiche
angebunden, er solle sich zu ihnen setzen, sie habe ein paar Fragen an ihn.
»Je nachdem, wie Ihre Antworten ausfallen, muss ich Sie entweder mit aufs Polizeipräsidium nehmen oder Sie können wieder an Ihre Arbeit gehen.«
José stotterte, er könne sich nicht einfach auf einer Bank niederlassen, da seine Gäste warteten. Er sei im Dienst.
»Ich auch«, sagte Irma und hielt ihm ihren Dienstausweis unter die Nase.
José setzte sich mit resignierter Miene, aber artig wie ein Schuljunge neben Irma auf die Bank. Vergebens versuchte er seine Hände zu verstecken, weil sie zitterten.
»Also«, sagte Irma,,»erklären Sie mir jetzt bitte, wieso Sie sich für Herrn Kowalzkis Privatleben interessieren. Vor allem, weshalb Sie ihm aus der Nase gezogen haben, in welchem Hotel seine Schwester und ich wohnen.«
José tat, als ob er kein Deutsch verstünde.
Als Leo übersetzt hatte, seufzte der kleine Kellner und sagte: »Das ist lange Geschichte.«
»Damit haben Sie schon zugegeben, an irgendeiner Geschichte beteiligt zu sein«, stellte Irma fest. »Erzählen Sie mal zuerst, wie diese Geschichte beginnt.«
»Mit meine Liebe zu schöne Brünnhilde.«
»Aha«, sagte Irma. »Das reicht vorläufig schon. Dann bringen Sie jetzt mal Ihr Wechselgeld an den Tresen und anschließend fahren wir zusammen nach Palma zur Polizei.«
Leo begleitete den kleinen Kellner in die Bar und ließ ihn nicht aus den Augen, bis er sich dort mit allerhand Ausreden abgemeldet hatte. Auf dem Weg zum Auto musste Leo ihn schließlich am Schlafittchen schnappen, um einen Fluchtversuch zu vereiteln. So kamen sie in scheinbar freundschaftlicher Umarmung bei Irma an, die schon hinterm Steuer wartete. Leo und José setzten sich nebeneinander auf die Rückbank, und Irma raste los.
Im Präsidium ging dann alles rasch. Irma informierte Chefinspektor Fernández, und beide begannen unverzüglich mit dem Verhör. José machte seine Aussagen auf Spanisch und für Irma stand ein Dolmetscher zur Verfügung. Das Protokoll wurde in beiden Sprachen geschrieben. Es enthielt im Wesentlichen die Beziehung Josés zu Brünnhilde Kurtz. Er schilderte willig, wie er derart in ihren Bann geraten war, dass er bereit gewesen war, alles für sie zu tun. Bei dem Auftrag, ihr Informationen über Frau Eichhorn und die Geschwister Kowalzki zu bringen, habe er sich nichts gedacht. Aber als das erledigt gewesen sei, habe Brünnhilde verlangt, dass er sie zu einem einsamen Ort bringen sollte. Er habe sie zu der leerstehenden Finca seiner Großeltern gefahren. Auch bei der Erfüllung dieses Auftrags habe er keine Bedenken gehabt.
Fernández fragte, ob er davon ausgehen könne, dass José später auch Aline Kowalzki zu der Finca gebracht habe. Erstaunlicherweise gab José auch das zu. Das junge Mädchen zu entführen sei ihm eigentlich nicht recht gewesen, sagte José leise. Nur aus Liebe zu Brünnhilde habe er es getan.
Nach und nach gab er auch zu, auf Frau Kurtz’ Anordnung in einer Nachtapotheke mehrere Rollen extrabreites Heftpflaster, eine Großpackung Watte und eine FlascheChloroform entwendet zu haben. Er betonte, das Aspirin für Brünnhilde bezahlt zu haben.
Irma erkundigte sich, ob sie recht gehört habe, dass Chloroform in Apotheken zu haben sei? Fernández versicherte ihr, das wäre durchaus möglich. In Spanien sähe man manches lockerer als in Deutschland.
Auf Irmas gezielte Frage gestand José auch, den Brief an sie im Hotel
Santa Monica
abgegeben zu haben. Er beteuerte, nicht zu wissen, was darin stand. Einen Brief zu besorgen, das sei doch kein Strafdelikt, sagte er weinerlich.
Irma schienen die Wartephasen, bis Josés Bekenntnisse übersetzt waren, unerträglich lang. Doch als sie gehört hatte, wie José zugab, Line entführt zu haben und auch, dass sich Line seit gestern Nacht zusammen mit Brünnhilde Kurtz auf einer abgelegenen Finca befand, begann sie trotz der Wärme im Raum zu schlottern.
Als Irma fragte, wieso José die Frau, für die er alles zu tun bereit war, nun doch verraten habe, antwortete er: »Sie mir versprochen Geld. Sie mir versprochen Liebe. Aber als junges Mädchen in ihrer Gewalt, sie mich davongejagt.«
Irma bestand darauf, in Begleitung von mindestens zwei Polizisten unverzüglich diese Finca aufzusuchen. José bekam Handschellen verpasst und musste mitfahren, um den Weg zu weisen.
Leo, der außerhalb des Verhörraumes hatte warten müssen, fuhr mit Irma in seinem Leihwagen dem Polizeiauto hinterher, in dem der Chefinspektor und ein
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