Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lenas Flucht

Lenas Flucht

Titel: Lenas Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
Vom Netzwerk:
sie.
    »Und der Vater Ihres Kindes …« Krotow schwieg verlegen, aber sie kam ihm zu Hilfe.
    »Mein Kind hat keinen Vater. Natürlich hat es einen, aber der wird nie von ihm erfahren.«
    So ist das Leben, dachte Krotow bei sich. Ich habe mit meiner Frau zwölf Jahre zusammen gelebt und mir so sehr ein Kind gewünscht, aber Larissa wollte nicht. Sie wurde schon hysterisch, wenn ich das Thema nur erwähnte. Natürlich bekommen Ballerinen selten Kinder, aber manche doch und bleiben sogar beim Ballett. Und Larissa tanzte nur im Corps de ballet.
    »Sergej, wir sind da«, hörte er Lenas Stimme.
    »Sie wollten mir doch Ihre Telefonnummern aufschreiben – in der Wohnung, im Büro und bei Ihrer Tante.« Krotow parkte den Wagen und hielt Lena Telefonbuch und Stift hin.
     
    Die leere Einzimmerwohnung wurde davon nicht gemütlicher, daß dort manchmal die hübsche Olga, ein zufälliger kurzfristiger Zeitvertreib von Oberstleutnant Krotow, übernachtete. Jetzt aber würde er wohl kaum mehr Lust haben, Olga zu sich einzuladen …
    Er setzte den Teekessel aufs Feuer, machte es sich auf dem Küchensofa bequem und zündete eine Zigarette an.
    Vor acht Jahren hatte Krotow einmal in der Sache einerillegalen Abtreibungsklinik ermittelt, wo man Schwangerschaften in einem späten Stadium unterbrach. Manchmal kam es vor, daß eine Patientin die Reue packte, wenn sie das winzige Wesen vor sich sah, das noch lebte, leise wimmerte, Händchen und Füßchen bewegte und vor ihren Augen sein Leben aushauchte. Aber da war nichts mehr zu ändern.
    Eine solche Frau, die ihr Gewissen plagte, erstattete Anzeige.
    Der Fall erregte riesiges Aufsehen. Es stellte sich heraus, daß in der Genossenschaft »Krokus«, so hieß dieses Etablissement, sehr respektable Ärzte mit tadellosem Leumund dazuverdienten. Einige wanderten damals hinter Gitter.
    Das war 1987. Kooperativen, darunter auch im Gesundheitswesen, waren gerade erst zugelassen worden, und es gab für sie noch keine klare rechtliche Grundlage. Krotow erinnerte sich, daß er damals mit einem Berater aus dem Gesundheitsministerium zusammengearbeitet hatte, einem lustigen und sehr geselligen Dicken. Wie hieß der nur? Burjak! Mit dem mußte er sprechen.
    In seinem Telefonbuch fand Krotow tatsächlich die private Telefonnummer dieses Mannes.
    Ilja Burjak war zu Hause und nahm selbst den Hörer ab.
     
    Lena ging mit Pinja Gassi und räumte danach noch in der Küche auf. Tante Soja schlief schon, was ihr sehr zupaß kam. Sie wollte jetzt mit niemandem reden. Sie wollte allein sein und nachdenken.
    Nun war dieser schreckliche Tag zu Ende – 24 Stunden Angst, Anspannung und das Gefühl völliger Hilflosigkeit. Erst im Gespräch mit Krotow hatte sie sich etwas entspannt. Merkwürdigerweise hatte dieser schnurrbärtige Oberstleutnant beruhigend auf sie gewirkt.
    Seine Worte waren wohl als höfliche Absage zu verstehen. Und in der Tat – wie sollte er ihr helfen? In seiner Arbeit hatte er gewiß genug Probleme. Sie rechnete auch nicht auf seine Hilfe. Sie hatte ihn nur aufgesucht, um zu erfahren, obes einen Sinn hatte, sich an höhere Instanzen zu wenden. Er hatte ihr erklärt, daß kein Verbrechen vorlag. Folglich brauchte sie sich nicht weiter zu bemühen. Seine Worte beim Abschied fielen ihr wieder ein: »Als Ermittler des Innenministeriums kann ich Ihnen nicht helfen, aber als Privatperson können Sie immer mit mir rechnen.«
    Lena mußte lächeln, als sie an ihn dachte: eine Privatperson mit Schnurrbart, blauen Augen und einem hellblonden Bürstenschnitt, schon etwas kahl über der hohen Stirn …
    Lena ertappte sich dabei, daß sie in Krotow nicht den Sonderermittler und auch nicht den Oberstleutnant sah, sondern einfach einen Mann. Das wunderte sie sehr. Sie hatte sich an ihr Alleinsein gewöhnt. Nach der zufälligen und ziemlich törichten Begegnung mit dem sogenannten Vater ihres künftigen Kindes hatte sie sich endgültig verboten, irgendeine neue Beziehung einzugehen.
    Natürlich mußte eine Frau in ihrem Alter wenigstens einen Liebhaber haben, wenn es schon zum Ehemann nicht reichte. Alle, die sie kannten, waren sicher, daß es ihn gab. Aber sie irrten sich. Die Erfahrungen mit zwei mißglückten Ehen und einer kurzen Affäre hatten ausgereicht, daß sie in dieser Hinsicht nichts mehr vom Leben erwartete. Und nun dieser Krotow …
    Warum dachte sie überhaupt an ihn? Vielleicht war sie ihm nur dankbar für seine Anteilnahme und seine Hilfsbereitschaft?
    Ohne diese Fragen beantworten zu

Weitere Kostenlose Bücher