Lenke meine Fuesse Herr
anschließend die Füße mit Olivenöl ein. Dann verpasst sie mir eine intensive Reflexzonenmassage, die alle meine versteckten und verdeckten Wehwehchen zu Tage bringt. Ich bin froh, mich an Angelikas Rücken lehnen zu können, so hundsgemein weh tut es, wenn Anti einige Punkte auch nur sanft berührt. Schließlich zieht sie vorsichtig saubere Socken über die wohltuend-wehtuenden Füße. Gegen elf Uhr, nach einem guten und reichlichen gemeinsamen Abendessen (mit Wein!), schlafe ich fest und traumlos.
Samstag, 23. Juli 2005
Santibáñez — Astorga — Santa Catalina 23 km
Wir schlafen bis fast um sechs. Nach einem gemütlichen Frühstück geht es gemächlich auf den Weg nach Astorga. Der Weg ist zunächst steinig, doch mit meinen Stöcken kommt Angelika gut zurecht. Ein Wegkreuz — die Verzierungen außenrum sind skurril, doch der Platz hat etwas an sich und ich singe — sozusagen als Morgenandacht — mein Pilgerlied. Dann kommt ein schöner Kiefernwald, es geht durch einen Talgrund, an einem Bauernhof vorbei — da liegt am Weg ein toter Turmfalke: Ich reiße ihm eine Schwungfeder aus und stecke sie zu der Storchenfeder an meinen Hut.
Wir gehen ohne Eile durch trockenes, staubiges Land — die Erde ist hier ziegelrot! Nach Astorga sind es nur zwölf Kilometer und vor dem frühen Nachmittag kommen die Ärzte nicht ins Refugio. Vom Crucero de San Toribio aus haben wir den ersten Blick auf das weite Tal des Río Tuerto und Astorga — eine hinreißende Aussicht!
Doch erst einmal ein Kaffee in San Justo de la Vega — und hier erlebe ich hautnah die spanische Methode der Blasenbehandlung: Eine Krankenschwester hat am Nachbartisch ihre mobile Praxis aufgemacht. Ein Pilger kommt angehumpelt, und nun geht es Schlag auf Schlag: Schuh aus, Socken runter, eine wunderschöne Blase an der Ferse! Die Schwester pinselt mit Jod, dann nimmt sie eine große Nähnadel und fädelt einen dicken Baumwollfaden auf. Nadel und Faden werden in das Jodfläschchen gehalten und dann durch die Blase gezogen. Das Wasser spritzt, der Faden bleibt als Drainage drin, noch mal Jod drauf, ein Pflaster — fertig! Auch hier wird kein Honorar verlangt. Zwei Patienten versorgt die Schwester so, dann kommt ein Rotkreuzwagen und fährt sie zu einem anderen Einsatzort. Hier im Ort kommt einer der Pilgerwege von Madrid hoch und es herrscht reger Fußgängerverkehr.
Wir gehen weiter — Bahnschranke — dann über eine schöne alte römische Brücke, an einer Mühle vorbei. Anti pflückt am Weg Minze für ihren Abendtee — ich stecke mir ein Sträußchen an den Hut zu den Federn und jeweils eines rechts und links an die Rucksackgurte. In der Stadt fragen wir uns nach dem Refugio municipal durch, wo wir erfahren, dass die Ärzte nicht vor 16.00 Uhr kommen werden. Wir verabschieden uns herzlich von Anti — sie hat uns wirklich sehr geholfen — und gehen erst einmal einkaufen: Angelika braucht Moosgummi zum Abpolstern ihrer Blasen, es sind mittlerweile mehrere; ich brauche Geld — und nachdem Astorga eine blühende Süßigkeitenindustrie hat, können wir beide nicht widerstehen und decken uns ein. Dann gehen wir essen: Omelett mit Salat — tut gut!
Plötzlich ein Schrei: „Christian!“ Pepe aus Pamplona! Seine Umarmung ist so stürmisch, dass ich hinterher meine Sonnenbrille, die ich vor der Brust hängen hatte, wieder zurechtbiegen muss! Eine ältere Amerikanerin — kenne ich sie aus Bercianos? — bittet mich um eine englische Version des Pilgerliedes und ich diktiere, dann tauchen Birgit und Elisabeth auf. Wir sehen uns die Kathedrale an — beeindruckend, auch wenn wir nicht lange drin sein konnten: Hochzeit! Dann der Bischofssitz, die genial-skurrile Architektur von Gaudi — doch das Museum schenken wir uns.
Zurück in der Herberge — ein Riesengebäude über dem Tal mit sicher über hundert Plätzen — warten wir endlos auf die Ärzte. Für vier Uhr waren sie angekündigt, um halb sechs sind sie glücklich da! Vor Angelika ist nur noch ein junger Pole dran — er ist aus Warschau hergelaufen und hat die schlimmsten Füße, die ich jemals gesehen habe. Ein solch hohes Maß an Schmerzverleugnung, das nötig war, mit diesen Füßen bis hierher zu kommen! Die Ärzte sind entsetzt und verordnen ihm mindestens fünf Tage Bettruhe! Jetzt fängt der Junge endlich zu weinen an: Dafür langt sein Geld nicht und deshalb muss er so kurz vor dem Ziel aufgeben! Der Herbergsvater kommt und sichert ihm eine Woche kostenlose Unterkunft und
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