Lennox 01 - Lennox
teuren geprägten Visitenkarten.
»Danke«, sagte ich, »aber ich glaube nicht, dass ich Ihre Dienste in Anspruch nehmen muss.«
»Man kann nie wissen, Mr. Lennox. Aber nicht deshalb habe ich Ihnen die Karte gegeben.« Er schloss seinen neuen Bentley R auf, und ich hätte schwören können, noch auf zwanzig Meter poliertes Nussbaumholz und Leder zu riechen. »Ich bin es, der vielleicht einmal Ihre Dienste benötigt.« Er setzte sich in den Bentley und fuhr davon. Ich starrte auf seine Karte. Binnen kurzer Zeit hatten mir ein Berufskiller und nun die am meisten verabscheute Gestalt im schottischen Rechtssystem eine formlose Partnerschaft angetragen. Vielleicht sollte ich an meinem Leumund arbeiten.
Ich steckte die Visitenkarte in die Tasche. Zwar hatte ich Greasy George gesagt, ich würde seine Dienste nie benötigen; tatsächlich aber war er genau der Mann, den ich bräuchte, wenn die Bullen die Verbindung zwischen den Morden an Parks und Smails entdeckten.
28
Die Glasgower Polizei konnte man nicht der übermäßigen Hast bezichtigen. Greasy George brauchte volle achtundvierzig Stunden, um zuerst Sneddon, dann die anderen beiden Könige aus ihrem Gewahrsam zu befreien. Genauso lange benötigte die Polizei, um Ronnie Smails’ Leiche zu finden, und bis dahin waren seine Tasse Tee und die Spur kälter als Stein.
Die Zeitungen waren ein bisschen zupackender gewesen. Einzelheiten des Raubüberfalls kamen ans Licht. Er hatte sich unmittelbar nördlich der Grenze ereignet, und die Falle war mit militärischer Präzision ausgelöst worden. Die Kolonne hatte aus drei Lastwagen und einem Transporter mit Wachmannschaft bestanden, die wegen der Ladung erforderlich gewesen war: brandneue Maschinenpistolen der Marke Sterling-Patchett L2A1, die die älteren Sten-Modelle ersetzen sollten. Es hatte eine Schießerei gegeben; anschließend lagen zwei Tommys tot auf der Straße. Einer der Fahrer war noch in kritischem Zustand und hatte das Bewusstsein bisher nicht wiedererlangt. Der andere hatte der Polizei den Überfall und die Täter beschrieben. Einer der Räuber war verletzt worden, hatte aber entkommen können.
Das war der Coup, auf den Tam McGahern hingearbeitet hatte. Und ich hatte eine ziemlich gute Vorstellung davon, was als Nächstes passieren würde.
Ich musste zwei Besuche machen, beide in der South Side. Vorher allerdings musste ich noch ein paar Dinge aus meiner Bleibe holen. Ich nahm meinen Webley-Revolver und verstaute ihn unter dem Beifahrersitz des Atlantic. Eines Samstagabends vor ein paar Monaten war ich auf der Argyle Street in ein Streitgespräch mit einem Schlägertyp geraten. Er hatte seinen Mangel an Mumm und Verstand wettmachen wollen, indem er mich mit einem Messer bedrohte: ein schönes italienisches Springmesser mit Perlmuttgriff. Als unsere Begegnung vorüber war, war ich um ein Springmesser mit Perlmuttgriff reicher und der Typ um mehrere Zähne ärmer. Das Messer hatte ich behalten. Ich ließ es mir in die Jacketttasche gleiten. Dann ging ich nach draußen, spielen.
Zuerst fuhr ich die Paisley Road nach Westen und in die Zukunft. Von Jackie Gillespie hatte ich eine Adresse in der Nähe des Bellahouston Parks. Er wohnte in einer ziemlich neuen Doppelhaushälfte, vermietet von der Glasgow Corporation. Das Gebäude wirkte sauber, hell und optimistisch. Doch es wurde von der wahren Zukunft überragt: ein Spinnennetz aus Baugerüsten, das sich um eine gestufte Reihe massiger, beinahe fertiggestellter Wohnblöcke wand: Moss Heights. Hier sollte der Glasgower der Zukunft wohnen: frei von Mietskasernen, frei von Übervölkerung, frei von Seuchen.
Frei von jedem Gemeinschaftssinn.
Es ließ sich nicht leugnen, dass Glasgow angeschwollen war wie ein Tumor und nun gegen den Grüngürtel drückte. Und wenn man nicht in die Breite bauen konnte, dann baute man eben in die Höhe. Die Genies im Stadtrat hatten entschieden, die Lösung des Problems, dass die Glasgower zu dicht nebeneinander wohnten, bestehe darin, sie übereinander wohnen zu lassen.
Angesichts meiner Erfahrungen bei den letzten Hausbesuchen ergriff ich die Vorsichtsmaßnahme, ein Stück von Gillespies Haus entfernt zu parken. Das Pflaster unter meinen Schuhen war neu, genau wie der Rauputz und die Dächer der Häuser, an denen ich vorbeiging. Die Gärten waren noch kahl, und die aufgewühlte Erde erwartete die ersten Grassamen. Von der Baustelle in einer halben Meile Entfernung hallte der helle Klang schwerer Werkzeuge heran.
Soweit mir
Weitere Kostenlose Bücher