Lennox 01 - Lennox
wir.«
Lizzie, die matronenhafte Engelmacherin, verband mir den Kopf ein bisschen diskreter, und ich nahm noch einmal zwei von Banks’ Pferdetabletten. Erneut schien in meinem Kopf irgendetwas auszurasten, und mir war, als wäre alles in Vom-Winde-verweht- Technicolor getaucht.
Wenigstens tat mir der Schädel nicht mehr weh.
Einer von Jonnys Leuten hatte in etwa Jonnys Größe und Haarfarbe. Wir warteten, während er einen von Jonnys Anzügen anzog, einen Regenmantel überstreifte und einen Hut aufsetzte. Jonny gab ihm die Schlüssel zu seinem Riley, und dann schauten wir zu, wie der Polizeiwagen draußen dem falschen Jonny folgte.
»Ein bisschen fühle ich mich schuldig«, sagte Jonny. »Das ist fast, wie wenn man Kinder veräppelt.«
Wir warteten ein paar Minuten; dann gingen wir zur Hintertür hinaus, stiegen über die Gartenzäune mehrerer Nachbarn und gelangten auf die Straße. Jonny brachte zwei Gorillas mit: Bei dieser Art von Treffen gehörte das zum guten Ton. Wir gingen die drei Querstraßen bis zu meinem geparkten Wagen und fuhren durch Giffnock und Pollockshields; dann bogen wir nach Rutherglen ab. Das Shawfields-Stadion hatte einen pseudoägyptischen Eingang im Art-Deco-Stil, der jeden Pharaonen stolz gemacht hätte – hätte es je einen Pharao gegeben, der auf Hunderennen stand, seine Tölen »Blue-Boy« oder »Jaclc’s-m’Lad« nannte und hin und wieder mal fünf Pfund auf Sieg oder Platz setzte.
Das Stadion war berstend voll. Wir parkten auf einem Parkplatz, der zwar ehrgeizig groß, aber nur spärlich mit Autos gefüllt war. Deshalb drängten sich dort die Wetter zu Fuß und nahmen eine Abkürzung zu den Tribünen. Ich folgte Jonny und seinen Jungs zu einem Eingang, auf dem »Management Suite« stand, und hinauf in einen großen Raum mit rotem Teppich, Theke und Panoramafenstern, die einen Blick auf die Rennbahn gewährten.
Willie Sneddon war bereits da. Twinkletoes McBride und Tiny Semple lungerten riesig, düster und drohend in einer Ecke herum. Jemand hatte Twinkletoes bearbeitet. Ein Auge war fast geschlossen. Ob Polizist oder nicht – wer immer ihn so verprügelt hatte, ich konnte ihm nur raten, von jetzt an stets mit einem offenen Auge zu schlafen.
Trotz seiner Wut am Telefon war Sneddons Gesicht vergleichsweise verschont geblieben. Vielleicht war es ihm gelungen, McNab mit Freimaurerhändedrücken beschäftigt zu halten. Hammer Murphys Befürchtungen waren nicht ganz unbegründet. Sneddon lehnte an der Theke, ein Glas Whisky in der Hand. Als wir eintraten, nickte er uns zu.
»Alles in Ordnung, Willie?«, fragte Jonny Cohen lächelnd.
Sneddon grunzte. »Sagen wir, es kneift. Auch einen?«
Jonny stellte sich zu ihm an die Theke. Dahinter schenkte ein junger Mann in weißer Kellnerjacke mit zu viel Brillantine im Haar Jonny einen Scotch ein. Ich lehnte Sneddons Einladung mit erhobener Hand ab. Es war besser, wenn ich einen so klaren Kopf wie möglich behielt, und ich hatte keine Lust auf die Party, die eine Mixtur aus Alkohol und Doc Banks’ Pferdepillen entfesseln würde.
Murphy kam zu spät. Wir wussten alle, dass er zu spät kommen würde. Er kam zu spät, weil er es sich leisten konnte. Und um seinen Auftritt zu genießen. Von den Tribünen unter uns erhob sich ein Brüllen, als die Klappen sich hoben und die Windhunde loshetzten. In diesem Moment kam Murphy herein, neben sich die gleichen hartgesotten wirkenden Iren, die mich in das Taxi verfrachtet hatten. Sneddon löste sich von der Theke und schaute Murphy an. Twinkletoes und Tiny Semple kamen herbei und spielten seine Buchstützen.
»Murphy ...« Sneddons genickter Gruß besaß die herzliche Wärme einer Zimmerwirtin aus Corstorphine.
Murphy gab keine Antwort. Irgendetwas über Sneddons Schulter zog seine Aufmerksamkeit an, und er bedachte es mit einem höhnischen Blick. Wir sahen alle hin. Es war ein Porträt unserer neuen Königin, das an der Wand hing. Prima, dachte ich, es geht schon los. In Glasgows konfessionell überhitzter Atmosphäre symbolisierte die regierende Monarchin alles, was protestantisch war: ein Gegenstück zum Papst. Je nachdem, in welcher Gegend Glasgows man war, sah man entweder »Scheiß auf den Papst« oder »Scheiß auf die Königin« an den Mauern stehen. Technisch war die Königin natürlich das Oberhaupt der Kirche von England, nicht der Kirk of Scotland. Aber »Scheiß auf die Königin« schrieb sich leichter als »Scheiß auf Reverend Dr. James Pitt-Watson, Moderator der
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