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Leonard Bernstein

Leonard Bernstein

Titel: Leonard Bernstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Cott
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setzen Sie sich daran«, sagte ich zu meinen zwei Assistenten, »und versuchen es selbst.« Sie konnten es genauso wenig. Außerdem war ich, wenn ich zu komponieren versuchte, total eingeschüchtert. Ich war ganz allein und wurde ständig von diesem argusäugigen Monster beobachtet. Nach sechs Wochen Quälerei ließ ich das Ganze wieder abbauen, was eine weitere Woche in Anspruch nahm.
    Also, um Ihre Frage zu beantworten: Was halte ich von Synthesizern? Großartig im Orchestergraben und auf Platten. Aber zum Komponieren? Scheiße!
    Mögen Sie Hammerklaviere und andere Originalinstrumente, die heute bei Aufführungen von Musik des siebzehnten, achtzehnten und frühen neunzehnten Jahrhunderts so populär sind?
    Manchmal, manchmal. Es hängt von der Qualität der Instrumente ab und sehr viel von demjenigen, der darauf spielt.
    Es gibt Leute, die sagen, es sei egal, wer darauf spielt, ein schlechtes Konzert mit Hammerklavier sei besser als ein gutes mit einem modernen Flügel. Das scheint mir ziemlich abwegig zu sein.
    Sie haben recht. Ich habe auf Mozarts Klavier in seinem Haus in Salzburg gespielt – mein Gott, was für einen Lärm das produzierte! Niemand macht sich eine Vorstellung davon – außer Glenn Gould. Er hatte eine Ahnung davon. Ich spielte auf Chopins Klavier in seinem Haus in Warschau … und als ich kürzlich in Bonn war, besuchte ich auch das Beethoven-Haus. Sie hatten seinen letzten Flügel aus Wien dort stehen, völlig heruntergekommen, verstimmt und vernachlässigt, aber ich spielte dennoch ein paar Beethoven-Stücke darauf. Ich habe einige Kenntnisse über das Hammerklavier, und ich habe auch ein Doppelcembalo zu Hause, die exakte Kopie eines Couperin-Cembalos aus dem französischen Barock. Und ich kann Ihnen sagen: Wenn das Instrument Sie den Absichten des Komponisten näherbringt, gut. Aber man muss auch Sejchel [Verstand] haben. Meiner Meinung nach ist die Arbeit von Trevor Pinnock auf diesem Gebiet besonders aufregend – bei seinen Interpretationen von Bach und Händel ist mir die Spucke weggeblieben!
    Glauben Sie, es ist wirklich möglich, die ein oder zwei Jahrhunderte alten sinfonischen Schlachtschiffe von Beethoven, Brahms und Tschaikowsky so zu hören (oder zu spielen), »als wäre es das erste Mal« – jungfräulich, sozusagen?
    Ich hatte diese Erfahrung mit Beethovens 7. Sinfonie, als ich dieses Werk vor Kurzem mit den Wiener Philharmonikern in Bonn aufführte, dem Geburtsort Beethovens, bei einem – sitzen Sie gut, können Sie das jetzt vertragen? – Beethoven-Schrägstrich-Bernstein-Festival! Dennis Russell Davies präsentierte ungefähr zehn meiner eigenen Werke mit dem Orchester der Beethovenhalle, und in letzter Sekunde bat man mich, die Siebte von Beethoven zu leiten – ein Stück, das ich seit ein paar Jahrzehnten nicht mehr dirigiert hatte. Ich war in Wien und blieb die ganze Nacht wach, um die Sinfonie vom ersten Taktstrich an noch einmal zu studieren, als hätte ich sie nie zuvor im Leben gesehen.
    »Wenn dein Geist leer ist, ist er offen für alles«, schrieb der Zenmeister Shunryu Suzuki einmal. »Im Anfänger-Geist gibt es viele Möglichkeiten, im Geist des Experten nur wenige.«
    Ich bin Anfänger … immer.
    Wie bleiben Sie weiterhin Anfänger?
    Indem ich nicht sterbe.
    »He not busy being born is busy dying.« Sagte Bob Dylan.
    Das ist gut. Und warum glauben Sie, dass Beethoven ständig alles verbesserte und zusammenstrich? Weil er immer neu anfing, konnte er es immer besser machen.
    Das ist erstaunlich, dass Sie das sagen. In einem Gespräch mit Bettina von Arnim hat Beethoven einmal gesagt: »Obschon ich bei meinen Werken immer die Empfindung des Gelingens habe, so fühle ich einen ewigen Hunger, was mir eben erschöpft schien mit dem letzten Paukenschlag … wie ein Kind von neuem anzufangen.« 16
    Sehen Sie! Und um mich auf das Konzert in Bonn vorzubereiten, blieb ich die ganze Nacht wach und überzog die Partitur mit wahnsinnig vielen roten Markierungen, die Akzente und Diminuendi und Phrasierungen anzeigten. Und mein armer wunderbarer Assistent Mark Stringer musste die ganze Nacht auf meine roten Markierungen warten. Und als es Tag wurde in Wien, gab ich ihm meine korrigierte Partitur, und er ging zu den Philharmonikern hinüber, sobald der Saal offen war, und übertrug meine Markierungen auf die verschiedenen Stimmen, und dann kam ich und probte um elf Uhr mit dem Orchester.
    Die Wiener Philharmoniker hatten das Stück natürlich schon tausendmal gespielt –

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