Léonide (German Edition)
breitet sich in meinem Körper aus, brennt in me i nen Haarspitzen, in meinen Fingern und Zehen.
Du würdest alles dafür tun, nicht wahr, Léonide?
Was wollen Sie von mir?
Costantinis Gesicht spiegelt nicht die geringste Regung w i der, doch seine Hände sind geballte Fäuste. Seine Augen bre n nen wie zwei rote Sonnen, und sie verursachen Schmerz, so l chen Schmerz …
Ich will, dass du deine Ziele kennst, Léonide. Du solltest wissen, was du willst.
Frédéric tritt zu mir und bewegt die Lippen, doch ich kann ihn nicht verstehen über die Kluft aus Schmerz, die sich zw i schen uns auftut. Er legt den Arm um meine Schultern. Ich spüre seine Berührung nicht, mein Körper ist taub, leer – es fühlt sich an, als würde er sich langsam auflösen und ich mich mit ihm.
Ja , schreie ich innerlich, ich würde alles tun, um meinen Bruder zu rächen! Alles!
Der Schmerz löst sich auf, und die Flammen, die zuvor an meinem Gesicht geleckt, von meinen Armen und Beinen g e fressen haben, verschwinden, als hätte ich sie mir nur eingebi l det. Das aber habe ich nicht, und das kräftige, angstvolle P o chen meines Herzens sagt mir, dass ich r echt habe.
Eine Welle von Übelkeit schwappt gegen meine Magenwand, und meine Beine fühlen sich nachgiebig und schwach an. Hi n ter meinen Augenlidern drückt und sticht sich irgendetwas seinen Weg hinaus. Meine Knie knicken ein, und ich stütze mich mit zitternden Armen auf dem Pflaster ab und erbreche mich.
»Léonide!« Plötzlich kauert Frédéric neben mir, streicht mir über den Rücken und murmelt besänftigende Worte. Meine Scham wird größer und in meinen Augen brennen Tränen, doch ich halte sie zurück – ich werde mir keine weitere Schw ä che erlauben.
Als es mir endlich gelingt, mich mit Frédérics Hilfe aufz u rappeln, ist Costantini verschwunden.
Auf dem Nachhauseweg sprechen Frédéric und ich kein Wort. Er scheint seinen eigenen Gedanken nachzuhängen – Gedanken, die vermutlich mit mir zu tun haben.
Als wir die Gasse erreichen, in der sich das Haus meiner Tante befindet, und vor die Haustür treten, ergreift Frédéric mein Handgelenk und hält mich zurück. Ich weiß, was er s a gen will, und schon beim Gedanken daran wird mir erneut übel. Viel schlimmer aber ist der Kloß in meinem Hals, der mich am Atmen hindert und mir Tränen in die Augen zu tre i ben versucht.
Seine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. »Sie sind ve r wirrt, Léonide, der Tod Ihres Bruders hat Sie krank gemacht. Sie müssen zu sich selbst zurückfinden und ich glaube nicht, dass Ihr Vorhaben, Costantini ausfindig zu machen, dabei b e sonders hilfreich ist.«
Ich schüttle den Kopf, ohne Frédéric anzusehen. Ich weiß, was er sagen will, weiß, dass er meine Pläne nicht unterstützt. Er hat von Anfang an Zweifel gehabt, und er wird nicht r u hen, ehe er sie vor mir ausgebreitet hat.
»Die Suche nach Costantini und seine Schuld am Tod Ihres Bruders gerät allmählich zu einer fixen Idee. Schlagen Sie sie sich aus dem Kopf – sie tut Ihnen nicht gut, sie macht Sie krank.«
»Sie halten mich für verrückt.« Meine Stimme bricht beinahe, als das letzte Wort über meine Lippen kommt. Verrückt .
Du bist verrückt, verrückt, verrückt …
»Nein.« Frédéric schüttelt den Kopf, als müss t e er nicht nur mich, sondern auch sich überzeugen. »Ich halte Sie für ze r brechlich, für mitgenommen, für krank vor Trauer.« Leise, beinahe unhörbar fügt er hinzu: »Ihre Eltern haben mir gesagt, dass auch sie sich Sorgen um Sie machen. Sie haben seit Ihrer Ankunft in Beaucaire keinen ihrer Briefe beantwortet.«
Ich seufze. »Ich möchte nicht, dass sie sich Sorgen machen. Es geht mir gut. Ich … komme darüber hinweg.«
Trotz meines gesenkten Blicks entgeht mir nicht, dass Frédéric einen Schritt auf mich zu macht. Eine Sekunde später sp ü re ich seine Hand unter meinem Kinn. Der Ausdruck in seinen Augen trifft mich unvorbereitet. Es ist eine Mischung aus Trauer, Angst, Schmerz und Zorn – ein Zorn allerdings, der nicht auf mich gerichtet ist.
Seine Stimme klingt rau, beinahe ungehalten. »Sagen Sie nie wieder, es ginge Ihnen gut, wenn es offensichtlich nicht so ist. Versuchen Sie nicht, mich zu täuschen – nicht, wenn Ihnen irgendetwas an mir liegt.«
Sein Blick schweift wieder in die Ferne, als sähe er dort e t was, das in seiner Vergangenheit liegt und den Augen anderer Menschen verborgen bleibt.
Ich fühle mich leer und ausgebrannt. »Ich wünschte, ich
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