Leopardenblut (German Edition)
sie schon irgendetwas?“ Er lehnte Folter als Mittel der Informationsbeschaffung ab, obwohl seit Kylies Ermordung in ihm ein ebenso kalter Hass brannte wie in Dorians Herzen. Sie hatte unter seinem Schutz gestanden und war nicht viel älter als Kit gewesen. Ihr war Unmenschliches angetan worden und der Panther in ihm wollte Rache.
„Nein.“ Dorian fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. „Warum holst du nicht deine reizende Mediale hier rein und zwingst sie, uns zu sagen, wer er ist?“ Seine Augen hatten einen so bedrohlichen Ausdruck, dass Lucas ihn auf keinen Fall in Saschas Nähe lassen würde.
„Sie weiß vielleicht gar nichts“, stellte er fest. „Kit!“
„Ja.“
„Sag Zara, wir brauchen sie hier.“ In seinen Augen stand etwas anderes. Sie brauchten nicht die Wildkatze, sondern ihre Heilerin. Die meisten anderen Jugendlichen hätten das nicht verstanden. Aber Kits Training umfasste bereits Soldatenpflichten, denn nur so konnte man ein zukünftiges Alphatier vor Schwierigkeiten bewahren.
Der Junge nickte. „Ich kümmere mich drum.“ Er stürmte aus dem Zimmer.
Glücklicherweise war Tamsyn gerade in der Stadt, um mit den Jungen einzukaufen. Ihr Erscheinen war lebensnotwendig – Dorian stand kurz vor dem Zusammenbruch. Bis zu diesem Augenblick hatte Lucas nicht gewusst, wie brüchig die Kontrolle des Wächters war. Er konnte den Zorn schon hinter den blauen Surferaugen sehen, bereit zum Verstümmeln, Foltern und Töten.
„Es bringt uns nichts, eine Mediale zu kidnappen. Sie sind nicht wie wir, sie kappen ohne nachzudenken alle Familienbindungen.“ Er ging zu Dorian hinüber und stellte sich zwischen ihn und den Ausgang.
Dorians Kopf fuhr hoch und richtete sich auf einen Punkt hinter Lucas. „Sie gehört zu diesem scheißkollektiven Gehirn! Bring sie dazu, uns zu sagen, wo die Wölfin ist, bevor es verdammt noch mal zu spät ist!“ Seine Stimme zitterte vor Ärger, aber er war noch nicht völlig außer Kontrolle, noch nicht.
Lucas musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass Sascha in der Tür stand. Er konnte sie riechen. „Gehen Sie, Sascha!“ Der Panther in ihm wollte sie am Nacken packen und aus der Gefahrenzone bringen.
„Nein.“ Dorian drückte so fest gegen Lucas’ Brust, dass er einem Menschen die Rippen gebrochen hätte. Das einzig Unentwickelte an ihm war seine Fähigkeit, die Gestalt zu verändern. „Sag ihr, was dieser Irre macht. Sag ihr, was der wunderbare Rat ihr vorenthält.“
Sascha trat einen Schritt vor und schloss die Tür. „Wovon redet er?“ Eiserne Härte lag in ihrem eisigen Tonfall und in der Art, wie sie auf die beiden zuging und weniger als dreißig Zentimeter vor ihnen stehen blieb. Die nachtschwarzen Augen zeigten keine Angst.
Lucas blieb weiter zwischen ihr und Dorian stehen. „Ein Serienmörder macht seit mehreren Jahren Jagd auf Gestaltwandlerfrauen.“ Die Zeit für Ausflüchte war vorbei – ein Leben stand auf dem Spiel.
Der Ausdruck auf Saschas Gesicht änderte sich nicht. „In unserer Population gibt es keine Serienmörder.“
„Red keine Scheiße!“, spuckte Dorian. „Der Mörder ist ein Medialer und euer Rat weiß Bescheid. Ihr seid alle Psychopathen!“
„Nein, das sind wir nicht.“
„Kein Gewissen, kein Herz, keine Gefühle! Wie beschreibt man sonst einen Psychopathen?“
„Woher wissen Sie, dass es jemand von uns ist?“ Sie versuchte, an Lucas vorbeizugehen.
Er hielt sie mit einer Hand zurück. „Kommen Sie nicht zu nahe. Im Moment würde Dorian liebend gerne Ihnen anstelle des Mörders die Kehle durchbeißen. Seine Schwester befindet sich unter den Opfern.“ Er vergewisserte sich, dass sie die Wahrheit in seinem Gesicht sah.
Nach kurzem Schweigen trat sie einen Schritt zurück und ließ ihn Dorian in Schach halten. „Woher wissen Sie, dass es ein Medialer ist?“
„Am Tatort roch es, als sei ein Medialer dort gewesen.“ Bis zu seinem Tod würde sich Lucas an diesen hässlichen, durchdringenden Gestank erinnern. „Sie haben für uns einen ganz besonderen Geruch. Anders als Menschen oder Gestaltwandler riechen Sie nach Kälte und verbreiten einen metallischen, abstoßenden Gestank.“ Deshalb weigerten sich so viele Gestaltwandler mit Medialen zusammenzuarbeiten oder in Gebäuden zu wohnen, die diese errichtet hatten. Einige meinten, der Gestank würde sich nie verziehen.
Er dachte, er hätte einen Anflug von Verletztheit in Saschas Gesicht wahrgenommen, aber ihre Stimme war kalt, als sie sprach: „Wenn es
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