Lesley Pearse
Arkwright zu fragen?«
»Es wird mir ein Vergnügen sein«, versicherte Lily und sprach die reine Wahrheit. Sie mochte Rosas Herrin nicht, und obwohl es ein recht unchristlicher Gedanke war, hoffte sie, dass es Mrs. Arkwirght ordentlich in Verlegenheit bringen würde, wenn ihr niemand die Haare aufsteckte und ihr in die vulgären Kleider half.
Matilda und Tabitha spielten gerade im Kinderzimmer, als Lily von ihrem Besuch zurückkehrte.
»Rosa darf mit dir kommen«, verkündete sie mit einem strahlenden Lächeln. »Sie wird dich um sieben Uhr abholen. Allerdings muss sie um zehn Uhr wieder zurück sein.«
Matilda war so aufgeregt, dass sie Lily am liebsten umarmt hätte. »Ich werde dieses hübsche Kleid anziehen, das Sie mir geschenkt haben. Das mit den blauen Blumen.«
»Das ist ein Tageskleid, Matty«, entgegnete Lily und sah schockiert aus. »Nein, du musst mein rosafarbenes Taftkleid anziehen, das ich für Tabitha umnähen wollte. Ich bin sicher, dass es dir wie angegossen passt.«
Um kurz vor sieben kam Matilda die Treppe herunter. Sie hatte den Eindruck, nicht atmen zu können. Lily hatte darauf bestanden, dass sie ein Korsett trug, und die Schnüre recht fest angezogen. Doch Matilda war unendlich glücklich, ein solch schönes Kleid tragen zu dürfen, und so nahm sie diese Unannehmlichkeit freudig in Kauf. In den Augen ihrer Herrin war das Kleid furchtbar altmodisch, da der Rock keinen Reif hatte und der Stoff hinten nicht nach der neuesten Mode mit einer Stange nach außen gewölbt war, aber Matilda, die täglich ein navyblaues Wollkleid trug, erschien es wundervoll, und sie fühlte sich wie eine Prinzessin. Sie hatte sich das Haar geflochten, es um ihren Kopf drapiert und über jedem Ohr eine rosafarbene Schleife befestigt.
»Du siehst wunderschön aus«, stellte Lily bewundernd fest. »Versprich mir, mit jedem zu tanzen, der dich auffordert, und ihm anschließend höflich zu danken, auch wenn er dir auf die Zehen getreten hat. Aber sei vorsichtig, Matty, und komm nach der Veranstaltung auf direktem Wege nach Hause.«
In diesem Moment klopfte Rosa an die Tür, sodass Matilda ihren Umhang umlegte, den Hut aufsetzte und in heller Aufregung schnell nach draußen verschwand.
Der Tanz entpuppte sich als bittere Enttäuschung. Die Anzahl der anwesenden Männer überragte die der Frauen um ein Vielfaches, und die meisten waren so alt, dass sie die Väter der Mädchen hätten sein können. Der alternde Pianist spielte jede Melodie, als begleitete er einen Trauermarsch, und Matilda spürte, dass sie mit ihrem eleganten Kleid zu viel Aufmerksamkeit erregte. Dennoch versuchten sie, das Beste aus dem Abend zu machen. Doch gegen neun Uhr – ihre Beine waren schwer, und ihre Füße schmerzten von den Tritten ihrer ungeschickten Tanzpartner – schlug Rosa schließlich vor aufzubrechen.
»Das geht nicht«, widersprach Matilda. »Wir müssen warten, bis eine der Aufseherinnen jemanden findet, der uns begleitet.«
Rosa schnitt eine Grimasse. »Ich halte es hier sicher nicht noch eine Stunde aus. Lass uns aus dem Saal schlüpfen, sobald uns keiner beobachtet, und zu Castle Green gehen.«
Matilda wusste, dass die Milsons über dieses Ansinnen entsetzt sein würden. Die Konzerthalle in Castle Green war zwar ein beliebter Ort zum Ausgehen, aber man munkelte, dass sich nachts im umliegenden Park allerlei dubiose Gestalten aufhielten. Außerdem war es zu kalt, um draußen herumzulaufen. Doch beim Tanz mochte Matilda auch nicht bleiben, und dass Rosa ihre neue Freundin langweilig fand, wollte sie schon gar nicht.
Rosa musste ihr Zögern gespürt haben. »Komm, diesen Ort musst du einfach gesehen haben. Sonst kennst du New York nicht richtig. Ich erzähle den Aufseherinnen, dass wir von Mrs. Arkwrights Kutsche abgeholt werden.«
Doch als die Mädchen den Kirchensaal verlassen hatten und Matilda von ferne die altbekannten Klänge eines Leierkastens hörte, vergaß sie ihre Zweifel. Stattdessen stellte sich Aufregung ein. Was sollte ihnen in einer Stunde schon passieren? Außerdem konnte sie ein wenig Fröhlichkeit gut gebrauchen, um ihre Gedanken von den Kindern in New Jersey abzulenken.
Als sie in die Straße bogen, die zum Park führte, war sie von dem Anblick, der sich ihr bot, gebannt. Dies war ohne weiteres mit jedem Straßenrummel in London vergleichbar. Hunderte Menschen schwärmten durch die Straße, Windlichter waren an den Ästen der Bäume befestigt, und durch die Lichter an den vielen Ständen war es
Weitere Kostenlose Bücher