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Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Titel: Lettie Peppercorn und der Schneehaendler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Gayton
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größer, flog Teresa, in hundert Teile zerrissen, als Teil von Winden, Stürmen und Brisen in jede Ecke der Welt. Und überall hielt sie nach Blüstav Ausschau. Ihre Ohren horchten in jeder Kneipe nach seiner Stimme. Ihre Augen sahen auf allen Meeren und in allen Himmeln nach ihm. Ihre Finger ertasteten ihn in überfüllten Gassen.
    Sie fand ihn an den Höfen von Königen und Königinnen auf dem Festland, wo er ihnen Schneeflocken als Diamanten verkaufte. Und sobald sie ihn entdeckte, stellte sich ihr eine neue Frage: Jetzt, wo sie nur ein Lufthauch war, was konnte sie noch tun? Wie sollte sie Blüstav überwältigen, der doch aus Fleisch und Blut bestand?
    Sie hatte keine Macht, oder nur wenig.
    Nicht viel, aber es war genug.
    Sie fand heraus, dass sie Blüstav dahin bewegen konnte, wo sie ihn haben wollte – wie eine Schachfigur.
    Denn schließlich ist dies doch die Aufgabe des Windes – für Bewegung zu sorgen. Wenn der Wind bläst, sagt er damit: »Beweg dich mit mir, beweg dich.« Und man kann unmöglich standhalten. Man wird einfach Stückchen für Stückchen mitgerissen, ob man will oder nicht. Genau das geschah auch mit Blüstav. Er spürte Teresas Hände und Füße nie, aber jedes Mal, wenn sie an ihm vorbeistrichen, stießen sie ihm die Ellbogen in die Seite, zupften und zerrten an ihm, traten ihm in den Allerwertesten und trieben ihn so wieder nach Albion zurück. Schritt für Schritt schob sich Blüstav, ohne es zu merken, von den königlichen Höfen weg und auf Tauschdorf zu.
    Langsam, ganz langsam, führte Teresa ihn zur Türschwelle des Gasthauses Zum Schimmel. Sie brauchte zehn Jahre dafür, aber irgendwann war der Tag gekommen, an dem er dort ankam und nach einem zugigen Zimmer fragte.
    Teresas Plan war ganz einfach: Sie war der Wind, und sie war überall. Sobald Blüstav die Schneewolke zu Lettie gebracht haben würde, konnte Teresa ihre Tochter erfassen und sie in Richtung Wahrheit schieben.
    Aber die Dinge hatten sich nicht ganz so entwickelt wie geplant. Zwei scheußliche alte Schabracken funkten dazwischen und hätten beinahe alles zerstört. Und der windige Blüstav wäre zweimal fast entkommen. Und deswegen geleitete Teresa noch jemand anderen zum Gasthaus. Jemanden, der Lettie würde helfen können, wenn sie in Schwierigkeiten geriet. Der dem Wind folgen würde, ohne zu fragen … Einen grünäugigen Jungen, aus dessen Schulter ein Stängel spross.
    Ja, es war kein Zufall gewesen, dass Noah an dem Abend, der Letties Leben für immer verändern sollte, im Gasthaus war. Teresa hatte ihn nur aus einem einzigen Grund über sämtliche Meere hinweg zum Gasthaus geführt: damit er Letties bester Freund wurde.
    Sobald Blüstav im Gasthaus war, begann Teresa sich wieder zusammenzusetzen. Und dies war keine einfache Aufgabe. Zehn Jahre lang war sie in hundert Teilen um die Welt gekreist. Ohne die Hilfe von zwei Handschuhen wäre das vielleicht auch noch ewig so weitergegangen. Wie durch Zauberei flogen Teresas Finger in die Handschuhe hinein, als sie durch die Stadt Blokkenborg brausten.
    Teresa spürte, dass sie die Handschuhe nach Belieben lenken konnte, und das Gefühl, auf einmal diese Freiheit zu besitzen, war unbeschreiblich. Ihre Finger krochen durch die Stadt, schlängelten sich an Marktschreiern und Brotständen vorbei, bis sie zu einer Bude kamen, an der Kleidung verkauft wurde. Dort nahmen sie eine Hose vom Ständer und zerrten sie in einen nahegelegenen Wald. Teresa wusste, dass ihre Beine bald dort vorbeiziehen würden, sie spürte es einfach. Und als sie es taten, hielten die Finger den Hosenbund fest, und die Beine schlüpften hinein. Die Hose saß wie angegossen!
    Gemeinsam flogen sie nach Venedig, wo Teresas Füße durch die von Kanälen durchzogene Stadt rannten …

3. Kapitel
    Der Dieb, der Lügner, der Betrüger und die Muschel

    Nachdem Letties Mutter zu Ende erzählt hatte, wurde es still im Labor. Selbst das Feuer schrumpfte in sich zusammen.
    Lettie saß schweigend da und nippte unsicher an ihrem Tee. Längst war er kalt geworden, aber sie bemerkte es nicht, so tief war sie in Gedanken versunken.
    »Geht es dir gut?«, fragte ihre Mutter sanft.
    Lettie wusste es nicht. Sie brauchte noch eine Weile zum Nachdenken.
    »Eine lange Geschichte zu hören ist wie ein allzu üppiges Essen«, sagte Teresa. »Manchmal braucht man hinterher Zeit, um alles in Ruhe zu verdauen.«
    Lettie nickte. Sie fühlte sich auch wirklich pappsatt, zum Bersten voll. Sie musste dringend einige

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