Letzte Beichte
das Gefängnis hatte seinen täglichen 60-£-Nachschub an Stoff abrupt unterbrochen. Während seiner ersten drei Tage als Jeremys Kopilot hatte Billy oben auf seiner Pritsche gejault wie eine Katze, beide Betten mit seinem Tatterich zum Beben gebracht und den Raum mit chemisch riechendem Schweiß eingenebelt.
»Pst!« sagte Jeremy, denn nach drei Tagen in der Entzugshölle war er ziemlich gereizt.
»Wenn ich den Mund halten soll, gib mir was zum Tauschen«, entgegnete Billy.
»Nimm einfach ein bisschen mehr Rücksicht«, schlug Jeremy vor.
Eine Sekunde später machte Billy einen Satz aus dem Bett und packte Jeremy am Kragen. Sein Gesicht war viel zu nah, und sein Mund schäumte.
»Wenn ich den Mund halten soll, dann hilf mir«, sagte Billy. Er stieß Jeremy zu Boden und nahm sich fünf Pfund aus seiner Tasche.
Von da an stahl Billy jedes bisschen von Jeremys Tagesgeld und/oder Essensration, um es gegen Valium, Heroin oder was auch immer einzutauschen. Folglich hörte das Stöhnen und Zittern manchmal auf – aber nicht lange. Einige Gefangenehatten zu ihren Anwälten gesagt, der Entzug in Sandhill sei eine Verletzung der Menschenrechte, und dass sie die verantwortlichen Schweinehunde verklagen wollten. Und es müsse mal gesagt werden, dass Heroinentzug ohne medikamentöse Begleitung oder psychologische Betreuung eine wirklich schlimme Sache sei.
Auch Billy hätte die Kampagne unterstützt und seinen Anwalt angerufen, aber er war zu beschäftigt damit, Kohle für Stoff aufzutreiben. Bislang hatte die Schwester seiner Freundin fünf Zehn-Pfund-Beutel Heroin in den Windeln ihres Babys reingeschmuggelt (die Wärter durften keine Babys untersuchen). Er hatte sich außerdem mit einem Wärter angefreundet, der ihm Cannabis zu dem drastisch überhöhten Preis verkaufte, den sein bester Freund draußen dafür zu zahlen bereit gewesen war. Und so kam er knapp über die Runden.
Anfangs ließ Jeremy es sich gefallen, dass Billy sich über sein karge Barschaft und seine Essensrationen hermachte. Besser das als die Aussicht auf eine Gruppenvergewaltigung im Duschraum. Oder die Aussicht darauf, mit einer Zahnbürste aufgeschlitzt zu werden, in der Rasierklingen eingeschmolzen waren. Aber er war hungrig, und um 14:15 Uhr wollte er seine Banane haben.
»Gib mir deine Banane.«
Jeremy hatte nur eine Banane, und er hatte sie um 14:15 Uhr gleich nach seinen Fitnessübungen essen wollen.
»Nein.«
»Gib mir die Scheißbanane.«
»Besorg dir eine eigene Banane«, sagte Jeremy mit seinem gefährlich vornehmen englischen Akzent.
Billys Kopf verschwand wieder auf dem oberen Bett. Der Streit war vorüber – fürs Erste.
»Offizielle!« Das war der Boss, der Etagenwärter. Jeremy, der nicht wusste, was gemeint war, nahm Haltung an.
»Sozialarbeiter oder Anwalt«, setzte ihn Billy ins Bild und griff nach der Banane.
»Könnten Sie die für mich aufheben?« fragte Jeremy denBoss und schnappte sich die Frucht, ehe Billy sie in an sich bringen konnte.
Der Blick des Aufsichtsbeamten ließ nichts Gutes ahnen, und so warf Jeremy die Banane zurück aufs Bett, wo der klapprige Geier blitzschnell auf sie niederstieß.
Jeremy war nicht mehr so blöd, sich zu beschweren. Dem Beamten wäre es scheißegal gewesen, es hätte sogar sein können, dass er ihn damit verärgerte. Und ein verärgerter Aufsichtsbeamter war ein größeres Problem als eine fehlende Banane.
Also zog er sein Hemd an und folgte dem Beamten: raus aus der Zelle, zwei Treppenabsätze runter (eine uralte, ausgetretene Holztreppe) und durch die Haupthalle, die auf Höhe des ersten Stockwerks mit einem Drahtnetz überspannt war. Das Netz diente nicht etwa dazu, Selbstmörder vor dem Tod zu bewahren, sondern sollte verhindern, dass das Personal im Erdgeschoss etwas auf den Kopf bekam. Es funktionierte anscheinend: Seit Jahren war kein Mitglied des Personals auf diese Weise verletzt worden.
Letzte Woche war einer gesprungen.
»Code Blau!« hatte der wachhabende Beamte geschrien. Der Alarm war angegangen, Schlüssel hatten geklirrt, und jede Menge Personal war in die Halle gerannt. Stundenlang war alles still gewesen, dann hatte sich die Hallentür geöffnet. Ein kleiner schwarzer Transporter hatte davor gestanden, und daneben ein kleiner Mann in Schwarz.
Ein Hämmern war aus Jeremys Nachbarzelle gedrungen: das tiefe Bumm-bumm-bumm einer Faust, die gegen eine Metalltür donnert. Dann eine weitere und noch eine, bis zweihundert Metalltüren unter den Fäusten der
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