Letzte Beichte
rosa, und dasselbe galt für den darin eingewickelten Hasenvibrator.
»Chas!« sagte ich und betrachtete den Pimmel mit Gummiohren.
»Mit Orgasmus-Garantie!« sagte er.
Ach Gott, nicht das schon wieder.
Ich hatte nie einen gehabt. Einen Orgasmus, meine ich. Trotz zweiundzwanzig Sexualpartnern (oder dreiundzwanzig, je nachDefinition) hatte ich nie einen gehabt. Ich hatte nie auch nur zugegeben, dass ich keinen gehabt hatte, bis ich das erste Mal mit Chas geschlafen hatte.
Das war im Haus meiner Eltern gewesen, im damaligen Hobbyraum. Robbie schlief im Bastelzimmer, und meine Eltern sahen fern. Chas hatte sehr viel Geduld mit mir gehabt, aber sosehr er es auch zu schätzen wusste, dass man seine Hände liebkoste, war er doch unheimlich geil. Dass ich an seinen Fingern nuckelte und seinen Pimmel kraulte, würde ihn auf Dauer nicht befriedigen.
Gekuschelt et cetera hatten wir da schon nächtelang, aber diesmal wusste ich, dass die Zeit reif sei. Als wir fertig waren, seufzte ich glücklich, denn es war der beste Sex gewesen, den ich je gehabt hatte.
»Das war der beste Sex, den ich je gehabt habe«, sagte ich.
»Wirklich?« fragte er.
»Ja«. Ich fühlte mich, als ob man mich angegriffen hätte. »Warum?«
»Na ja, weil du nicht …«, sagte er.
»Was?«
»Du weißt schon, du bist nicht gekommen.«
»Aber sicher bin ich das.«
»Krissie …«
»Aber sicher bin ich das!« schrie ich, sprang eingeschnappt aus dem Bett und stolzierte ins Bad. Wie konnte er es wagen, mich des Nichtkommens zu bezichtigen? Natürlich war ich gekommen. Ich war dreiunddreißig, und ich war in mehr als zwei Jahrzehnten nicht so umfassend und grundlegend gekommen.
Unbeholfen stand er hinter mir im Badezimmer. Ich wusch mir die Hände und wollte aus dem Bad gehen, aber er versperrte mir mit den Armen die Tür. Es gab ein Gerangel. Ich versuchte, unter einem seiner Arme durchzukommen, zwischen seinen Beinen und so weiter, aber es half nichts.
Es endete damit, dass ich auf dem Boden lag und weinte. »Ich glaube, ich hatte noch nie einen«, sagte ich und verbarg mein Gesicht peinlich berührt mit den Händen.
Ich war mir nicht sicher. Ich war mir auch nicht sicher gewesen, ob ich je verliebt gewesen war, ehe ich mich ohne jeden Zweifel in Chas verliebt hatte. Es hatte Zeiten gegeben, da hatte ich einen Mann so sehr vermisst, dass es wehtat. Hätte Liebe sein können. Zeiten, in denen ich tagelang nichts gegessen hatte, nachdem Schluss gewesen war. Vielleicht Liebe. Auch hatte ich sexuelle Erlebnisse gehabt, nach denen ich tagelang gelächelt hatte. Und eines, das mich zum Weinen gebracht hatte. Natürlich hatte ich regelmäßig laute, animalische Geräusche ausgestoßen. Aber Chas hatte auf eine Meile Entfernung spitzgekriegt, dass meine Geräusche niemals laut oder animalisch genug gewesen waren, um die Selbstvergessenheit einer werwolfartigen Transformation zu bezeugen. Und das sei es, was ich anstreben solle, erklärte er: Selbstvergessenheit – mit weiß flackernden Augen und einem mit aller Pein einer Besessenen aufgerissenen und verzerrten Mund.
Klang schrecklich, fand ich, aber Chas hatte immer recht, wusste es immer am besten. Und deshalb machte es mir nichts aus, als er mir an besagtem Samstag den Hasen schenkte, am Sonntag dann das spezielle Gel, am Montag die vibrierenden Kugeln, vier Nächte in Folge ein Nichts mit Spitze aus dem Anne-Summers-Sortiment, und während der folgenden zwei Wochen weitere Lustknochen. Wir waren im Kampfeinsatz, und unser Auftrag lautete: meinen Orgasmus zu finden!
Anfangs legten wir den Hasen geraume Zeit, nachdem Robbie eingeschlafen war, auf den Couchtisch, um uns an ihn zu gewöhnen. Ich fand das riesige Gummiteil ziemlich furchteinflößend, aber dann lag es für mindestens zwei Big-Brother – Rausschmisse auf dem Couchtisch und summte uns des Öfteren wie ein Dalek an (Sie wissen schon: die Außerirdischen aus Doctor Who ). Folglich war ich zu dem Zeitpunkt, als Chas das Häschen und seine Entourage ins Schlafzimmer mitnahm, nicht mehr allzu verängstigt.
Er dachte sich weitere Übungen aus. Fünf Tage nichts als Anfassen ohne Penetration. Frauenpornos, also ohne derbes Brustwarzenzupfen und zu viel mechanisches Gerammle.Duschaufsätze und ausgedehnte Zeitspannen allein, »zum Üben«.
Ich würde liebend gern sagen, dass ich meinen Gummifreund letztlich nicht gebraucht hätte. Dass alles, was ich gebraucht hätte, eine neue, unbefangene Geisteshaltung gewesen sei und die Liebe und
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