Letzte Beichte
Lassen Sie mich nachsehen. Eine gewalttätige Auseinandersetzung miteinem anderen Mädchen. Sie war fünfzehn, das Ganze fand vor ihrer Schule statt, und sie hatte ein Messer. Es wurden keine weiteren Maßnahmen ergriffen. Die Untersuchung wurde eingestellt.«
»Können Sie mir das Gutachten faxen?« fragte ich.
»Sicher.«
Alle waren im Büro. Robert las Teile aus dem Gutachten vor, an dem er gerade schrieb …
»Auf die Frage, ob er sie in dem Zug sexuell belästigt habe«, las er, »entgegnete Mr. Jones, er habe lediglich auszusteigen versucht … ›Hab nur rausgewollt, aber sie war ’ne fette Kuh!‹, teilte er dem Gutachter mit.«
Penny, die selbst ziemlich füllig und kuhhaft war, lachte nicht.
Aber Danny lachte, und ich wollte diese kleine Lücke in seiner Abschottung ausnutzen, um mich endlich bei ihm zu entschuldigen.
»Es tut mir sehr leid.«
»Was?«
»Dass ich dich missbraucht habe.«
»Ist schon in Ordnung. Wie viel hattest du eigentlich intus?«
»Ein paar Flaschen von diesem und jenem. Ich habe zwei Jahre lang überhaupt nichts getrunken und hätte besser ganz die Finger davon gelassen. Meinst du, dass ich ein Alkoholproblem habe? Gehöre ich auch zu den Opfern der Sozialarbeit?«
»Wenn ich dir sage, dass du heute Abend nichts trinken darfst – würdest du dann in Panik geraten?«
»Nein.«
»Dann bist du’s nicht.«
»Ja.«
»Dann schon.«
»Ich werde heute Abend nichts trinken.«
»Gute Idee.«
Ich seufzte und fühlte jetzt schon Panik aufkommen, und dann ging ich zum Faxgerät.
Auf dem Weg dorthin erhaschte ich einen Blick auf die schwer erreichbare Hilary, die endlich wieder bei der Arbeit war.Sie saß in ihrem Büro, führte ein Telefongespräch und schaute todernst drein.
Das Gutachten glitt aus dem Faxgerät, und ich verschlang es gleich am Empfang. Rachel McGivern, Schulschwänzerin, Angreiferin. War in den ersten Pubertätsjahren ständig von zu Hause weggelaufen, und die Mutter hatte von Phasen mit Alkoholmissbrauch und Wutausbrüchen berichtet. Rachel selbst hatte behauptet, dass sie ihrer Mutter egal sei, weil diese von ihrer Karriere und anderen Sachen besessen sei. Das Gutachten kam zu dem Schluss, dass sie mit ihrem Verhalten auf sich aufmerksam machen wolle, dass die Familie aufgeschlossen, unterstützend und problembewusst genug sei, um die Schwierigkeiten aus eigener Kraft zu überwinden, und dass gesetzliche Maßnahmen nicht erforderlich seien.
Nichts Neues. Außer, dass Rachel schon immer ein wütendes, eifersüchtiges Mädchen gewesen war, das sich nach der Aufmerksamkeit seiner Mutter sehnte. Und dass sie schon einmal eine Angriffswaffe bei sich gehabt hatte und wegen Gewalttätigkeit auffällig geworden war.
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46
Ich war eine begnadete Ermittlerin. Wenn Ermittlungen mein Beruf gewesen wären, hätte man mich befördert. Ich hätte ein größeres Auto und eine bessere Waffe bekommen, und einen leicht zu beeindruckenden Partner. Wenn Ermittlungen mein Beruf gewesen wären.
Jetzt war alles glasklar. Rachel, die zornige Mutterhasserin, entrüstete das Auftauchen des neuen Familienmitgliedes mehr als alle anderen.
Ich nahm eine Einschätzung ihres Gefährdungspotenzials vor. Dazu verwendete ich ein Beurteilungsprogramm, in dessen Benutzung ich noch nicht eingewiesen worden war – LSI - R , RA 1–4, BAUCHGEFÜHL 313b –, und alles passte zusammen. Rachel stellte meiner Einschätzung zufolge mindestens eine mittlere Gefahr im Hinblick auf einen gewalttätigen Rückfall dar. Ihre Vorgeschichte, ihr Alkoholmissbrauch, ihr mutmaßlicher Drogenkonsum, dass sie zweimal von der Schule geflogen war, das schlechte Verhältnis zu ihrer Mutter, Freundschaften mit gerichtsnotorischen Arbeitslosen … und das war noch nicht das Ende der Liste.
Ich rief im Büro des Rechtsanwalts an.
»Haben Sie Rachel McGivern überprüft?« platzte ich heraus. »Sie war früher mal gewalttätig.«
»Hören Sie«, sagte der Anwalt aufgeregt, »Spuren von ihm sind an dem Schaber. Jede Menge DNA von ihm und von ihr.«
Bingo.
»Sie sind ein Genie!« sagte der Anwalt. »Aber das ist noch nicht alles. Heute Morgen ist Mrs. Bagshaw mit der Spracheherausgerückt. Sie hat vor einer Stunde angerufen und gesagt, Sie hätten sie überzeugt.«
»Wirklich?«
Ich registrierte beiläufig, dass Danny, der mir mit besorgter Miene zugehört hatte, in Hilarys Büro gerufen wurde.
»Ja«, sagte der Anwalt. »Nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus hat er die ganze Nacht und den ganzen
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