Letzte Ehre
Eine Waschmaschine und ein Trockner aus der Frühzeit standen links nebeneinander an der Wand. Dazwischen war ein zerbeulter Staubsauger im Blechbüchsendesign gequetscht, der wie die Schnauze eines Raumschiffs geformt war. »Ich hüpfe jetzt gleich unter die Dusche, Mrs. Rawson. Darf ich Ihnen die geben?« fragte ich.
»Aber sicher«, meinte sie. »Ich habe gerade die Sachen hineingeworfen, die mir Laura gegeben hat. Sie können mich Helen nennen, wenn Sie wollen«, fügte sie hinzu. »Mein verstorbener Mann hat mich immer Hell on Wheels genannt.«
Ich sah ihr zu, wie sie nach dem Meßbecher tastete und den Daumen über den Rand streckte, um zu fühlen, wie hoch das Waschpulver reichte. »Ich gelte schon seit Jahren im Sinne des Gesetzes als blind, und meine Augen werden immer schlechter. Ich kann mich aber immer noch zurechtfinden, solange mir niemand irgendwelches Zeug in den Weg legt. Ich soll eigentlich operiert werden, doch ich mußte warten, bis Ray kam, um mir zu helfen. Aber was quassele ich denn da. Ich will Sie nicht aufhalten.«
»Ist schon recht«, sagte ich. »Kann ich Ihnen irgend etwas helfen?«
»O nein, Herzchen. Gehen Sie nur duschen. Sie können den Bademantel anbehalten, bis Ihre Kleider fertig sind. Dauert nicht lang mit diesen alten Maschinen. Meine Freundin Freida Green hat neue, und bei ihr dauert es dreimal so lang, bis sie eine Ladung durchgewaschen hat, und braucht doppelt soviel Wasser. Sowie ich hier fertig bin, rühre ich einen Laib Maisbrot zusammen. Ich hoffe, Sie essen gern.«
»Und wie. Ich komme gleich wieder und helfe Ihnen.«
Die Dusche war ein zweifelhaftes Vergnügen. Der Wasserdruck war jämmerlich, und heiß und kalt wechselten sich im Einklang mit den Phasen der Waschmaschine in wildem Durcheinander ab. Ich schaffte es, mich sorgfältig abzuschrubben, wusch mir die Haare in einer Schäfchenwolke aus Seifenschaum und seifte und spülte meinen Körper so lange, bis ich mich wieder frisch fühlte. Dann trocknete ich mich ab und zog Helens Bademantel an. Ich schlüpfte in meine Reeboks, da mich meine heikle Ader daran hinderte, auf nur notdürftig sauberen Fußböden barfuß zu laufen. Im allgemeinen bin ich nicht eitel, was mein Aussehen betrifft, aber ich konnte es kaum erwarten, wieder in meine eigenen Kleider zu schlüpfen.
Bevor ich in die Küche zurückkehrte, benutzte ich meine Telefonkreditkarte und rief bei Henry in Kalifornien an. Er war offensichtlich nicht zu Hause, aber sein Anrufbeantworter meldete sich. Ich sagte: »Henry, hier ist Kinsey. Ich bin in Louisville, Kentucky. Hier ist es kurz nach ein Uhr, und ich habe für sieben Uhr einen Flug nach Hause gebucht. Ich weiß nicht, wann wir uns auf den Weg zum Flughafen machen werden, aber die nächsten zwei Stunden dürfte ich noch hier sein. Falls irgend möglich, müßtest du mich am Flughafen abholen. Ich habe fast kein Geld mehr, und ich weiß nicht, wie ich mein Auto sonst auslösen soll. Ich kann versuchen, mir das Geld hier zu borgen, aber diese Leute kommen mir nicht übermäßig verläßlich vor. Wenn ich vor meiner Abreise nichts mehr von dir höre, rufe ich dich an, sowie ich in Los Angeles bin.« Ich sah auf der Pappscheibe auf dem Telefon nach und nannte ihm Helens Nummer, bevor ich auflegte. Dann fuhr ich mir mit einem Kamm durchs Haar und ging wieder in die Küche, wo mich Helen zum Tischdecken abkommandierte.
Ray und Laura erschienen mit meinem Blazer in einem durchsichtigen Plastiksack von der Reinigung und je einem Armvoll Lebensmittel, die wir auspackten und aufräumten. Ich hängte meinen Blazer auf den Knopf an der Innenseite der Schlafzimmertür. Laura folgte mir und ging weiter ins Badezimmer, um zu duschen. Die Wäsche muß fertig gewesen sein, da ich den Trockner gegen die Wand rumpeln hörte. Sowie die Sachen trocken waren, würde ich meine Kleider herausholen und mich anziehen.
In der Zwischenzeit zeigte mir Helen, wie man Süßkartoffeln schält und püriert, während sie Äpfel und Zwiebeln in Viertel schnitt und sie mit Butter in die Bratpfanne gab. Ich schwieg wie eine Fliege an der Wand und hörte zu, wie Ray und seine Mutter plauderten, während sie das Abendessen zubereitete. »Vor ungefähr vier Monaten ist in Freida Greens Haus eingebrochen worden. Damals habe ich die Fenstergitter anbringen lassen. Wir hatten ein Nachbarschaftstreffen mit diesen beiden Polizisten, die uns gesagt haben, was wir bei einem Überfall tun sollen. Freida und ihre Freundin Minnie Paxton haben
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