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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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einer Schießerei, und sein Bruder Donnie kam ums Leben. Genau wie McDermid und ein Polizist. Das Geld verschwand, aber Gilbert war überzeugt davon, daß du und Johnny wüßtet, wo es versteckt war. Johnny saß zwei Jahre im Gefängnis, und als er herauskam, ist er untergetaucht. Gilbert konnte ihn nicht aufspüren, also hat er gewartet, bis du rausgekommen bist, ist dir gefolgt, und siehe da, da war das Geld. Gilbert hat sich nur seinen Anteil genommen. Tja, und vermutlich auch den Anteil seines Bruders. Er findet, daß du und Johnny jahrelang den Nutzen davon hattet und ihm nun rechtmäßig der Rest zusteht.«
    »Könnte ich bitte etwas klären?« sagte ich zu Laura.
    »Sicher.«
    »Ich nehme an, es war Ihre Mutter, die Ihnen gesagt hat, wann Ray aus dem Gefängnis entlassen würde?«
    Sie nickte. »Sie hat es mir anvertraut. Gilbert hatte mir bereits erzählt, was passiert war, und ich war wütend. Ich meine, es war schon schlimm genug, daß mein Vater sein ganzes Leben im Gefängnis war, aber auch noch zu erfahren, daß er alle seine Freunde verraten hatte? Das war das Mieseste vom Miesen.«
    »Baby, ich muß dir etwas sagen. Ich weiß nicht, was du für eine Beziehung zu Gilbert hast, aber bist du eigentlich nicht auf die Idee gekommen, daß er sich dir nur genähert hat, um an mich heranzukommen?«
    »Nein. Ganz und gar nicht. Das kannst du nicht wissen «, sagte sie.
    »Sieh dir mal die Fakten an. Ich meine, es liegt doch auf der Hand«, meinte er. »Hat er nicht von Anfang an nach mir gefragt? Vielleicht nicht namentlich, aber eben nach der familiären Situation, bla bla bla, nach deinem Vater und deinem Stiefvater und dergleichen?«
    »Und wenn schon? Jeder fragt zu Anfang solche Dinge.«
    »Tja, kommt dir das nicht seltsam vor? Da stellt sich >ganz zufällig< heraus, daß wir beide vor gut vierzig Jahren zusammen ein Ding gedreht haben?«
    »Eigentlich nicht. Gilbert kannte Paul von der Arbeit... das ist mein Stiefvater«, sagte sie beiseite zu mir. »Ich nehme an, daß Paul irgendwann den Namen Rawson erwähnt hat.«
    »O ja, bestimmt«, sagte Ray bissig. »Als ob dein Stiefvater herumsäße und mit seinen Arbeitskollegen über mich palavern würde.«
    »Was macht es schon?« sagte Laura. »Irgendwie kam es eben zur Sprache. Vielleicht war es Karma.«
    Rays Miene war ungeduldig — er nahm ihr das nicht eine Minute lang ab — , machte aber eine Drehbewegung mit der Hand, die bedeutete: »Weiter mit der Geschichte.«
    »Ich spreche nicht weiter, wenn du dich so benimmst, Ray«, sagte sie geziert. »Du hast mich nach meiner Sicht gefragt, und davon versuche ich dir zu erzählen, okay?«
    »Okay. Du hast recht. Es tut mir leid. Aber laß mich folgendes fragen...«
    »Ich behaupte nicht, sämtliche Einzelheiten zu kennen«, warf sie ein.
    »Das ist mir klar. Ich frage ja nur nach der Logik. Hör mal, wie kommt es denn nach Gilberts Weisheit — falls er die Wahrheit sagt — dazu, daß ich vierzig Jahre im Gefängnis verbracht habe? Wenn ich gesungen hätte, hätte ich einen Handel vereinbart. Ich wäre keinen einzigen Tag gesessen. Oder ich hätte meine Beteiligung herabgespielt und wäre ins Bezirksgefängnis gegangen, nur damit es gut aussieht.«
    Laura schwieg, und ich sah ihr an, daß sie darum rang, eine Erklärung zu liefern, die sinnvoll war. »Das weiß ich auch nicht. Dazu hat er sich nie geäußert.«
    »Tja, denk mal drüber nach.«
    »Ich weiß, daß Gilbert nicht lange in Haft war«, sagte sie zögerlich.
    »Ja, aber er war auch erst siebzehn. Er war noch Jugendlicher, und das war seine erste Straftat. Johnny war immer der Überzeugung, daß es der jüngere McDermid war, Darrell. Frank war viel zu aufrichtig. Darrell war derjenige, der vor Gericht gegen uns ausgesagt hat und schließlich weniger als ein Jahr absitzen mußte. Willst du wissen, warum? Weil er uns ans Messer geliefert hat und sie ihm im Ausgleich dafür ein geringfügigeres Strafmaß zugestanden haben. Gilbert will mir die Schuld in die Schuhe schieben, weil der kleine Scheißkerl gierig ist und eine Rechtfertigung dafür haben möchte, daß er sich die ganze Beute allein unter den Nagel reißt. Übrigens, du hast es nicht erwähnt, seid ihr beiden verheiratet?«
    »Wir leben zusammen.«
    »Ihr lebt zusammen. Das ist ja reizend. Ein Jahr, zwei Jahre?«
    »Ungefähr«, sagte sie.
    »Weißt du denn nicht, wie er ist?«
    Laura sagte nichts. Den blauen Flecken zufolge wußte sie eine ganze Menge über Gilbert. »Ich glaube nicht, daß

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