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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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und seine Kinder zerstritten waren. Ketchums Kinder lebten in New Hampshire, das war Carl bekannt. Ketchums Kinder waren längst erwachsen, hatten eigene Kinder, aber sie waren nie aus dem Coos County weggezogen. Sie hatten nur alle Verbindungen zu Ketchum gekappt.
    »Ketchum kann keine
Familie
in Toronto haben«, erklärte der Cowboy dem dussligen Kanadier.
    »Tja, das hat Ketchum aber gesagt - er hat Familie da oben in Toronto.« Croteau ließ sich nicht beirren.
    Später fand es Danny rührend, dass der alte Holzfäller ihn und seinen Dad als seine Familie betrachtete; und doch hatte das Carl auf ihre Spur gebracht. Dem Cowboy fiel außer dem Koch niemand ein, den Ketchum uneingeschränkt gemocht hätte - oder dem er so nahestand wie einem engen Verwandten. Auch war es dem Excop nicht schwergefallen, Ketchums Pick-up unbemerkt zu folgen. Dieser Truck verbrannte eine Menge Benzin; eine schwarze Abgaswolke hüllte die nachfolgenden Fahrzeuge ein, und Carl hatte klugerweise einen unauffällig aussehenden Geländewagen mit Winterreifen gemietet. In jenem Dezember auf den Interstates im Nordosten der usa - sie fuhren über Buffalo nach Kanada, über die Peace Bridge - war der Wagen des Cowboys so nichtssagend wie nur irgend möglich. Als ehemaliger Polizist wusste Carl schließlich, wie man Leute beschattete.
    Der Cowboy wusste auch, wie man ein Haus wie das am Cluny Drive überwachte. Es dauerte nicht lange, und er war mit den Gewohnheiten der beiden vertraut und auch mit denen von Ketchum. Natürlich war dem Cowboy klar, dass Ketchum nur zu Besuch da war. Auch wenn es Carl in den Fingern juckte, alle drei zu töten, wollte er es wahrscheinlich nicht riskieren, sich mit dem alten Holzfäller anzulegen; Carl wusste, dass Ketchum bewaffnet war. Das Haus war nie abgeschlossen, tagsüber nicht und auch abends nicht - nicht ehe der Koch nach Hause gehumpelt kam und ins Bett ging.
    Für den Cowboy war es ein Kinderspiel gewesen, in das Haus einzudringen und sich gründlich umzusehen; daher wusste Carl, wer in welchem Zimmer schlief. Doch es gab Dinge, die er
nicht
wusste.
    Die einzige Schusswaffe im Haus war die in dem Gästezimmer, wo Ketchum schlief, das stand für Carl fest. Für jemanden wie Ketchum war es eine seltsame oder zumindest simple Waffe, wie der Cowboy fand - ein Winchestergewehr, Kaliber 20. (Eine beschissene
Kinderflinte,
dachte Carl.)
    Woher hätte der Exhilfssheriff auch wissen sollen, dass die Winchester Ranger Ketchums Weihnachtsgeschenk für Danny war? Der alte Holzfäller hielt nichts von Geschenkpapier, und die geladene Pumpgun lag unter Ketchums Bett - genau da hätte auch der Cowboy eine Waffe versteckt. Carl kam nie auf die Idee, dass Ketchum die Pumpgun nicht wieder mit nach New Hampshire nehmen würde, wenn er zurück ins Coos County fuhr, wann auch immer das sein mochte. Der Cowboy wollte einfach abwarten, bis Ketchum verschwand - und dann zuschlagen.
    Carl erwog mehrere Möglichkeiten. Er hatte die Tür zur Feuertreppe in Dannys Schreibzimmer im zweiten Stock aufgeschlossen; falls Danny nicht merkte, dass die Tür offen war, könnte der Cowboy auf diesem Weg das Haus betreten. Falls Danny es aber sah und sie wieder verriegelte, könnte Carl das Haus durch die nicht abgeschlossene Vordertür betreten - irgendwann abends, wenn der Koch und sein Sohn nicht da waren. Dem Cowboy war aufgefallen, dass Danny nach dem Abendessen sein Schreibzimmer im zweiten Stock nicht mehr betrat (was am Bier und am Rotwein lag; wenn der Schriftsteller getrunken hatte, wollte er nicht einmal im selben Zimmer mit seinem Buch sein).
    Egal, ob Carl das Anwesen über die Feuertreppe oben betrat oder durch die Vordertür marschiert kam, er konnte sich gefahrlos in diesem Zimmer im zweiten Stock verstecken. Der Cowboy musste nur darauf achten, sich möglichst wenig zu bewegen, bis der Koch und sein Sohn eingeschlafen waren. Carl hatte bemerkt, dass der Fußboden knarrte, genau wie die Treppe hinunter zum ersten Stock. Doch der Cowboy würde nur Socken an den Füßen haben. Zuerst würde er den Koch töten, überlegte sich Carl - dann den Sohn. Carl hatte die gusseiserne Bratpfanne im Schlafzimmer des Kochs hängen sehen; natürlich wusste der Cowboy von Sixpack, dass mit dieser Pfanne Indianer-Jane getötet worden war. Carl hatte mit dem Gedanken gespielt, wie lustig es wäre, im Schlafzimmer des Kochs stehen zu bleiben, nachdem er ihn erschossen hatte, und darauf zu warten, dass Junior seinem Dad mit der blöden Pfanne

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