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Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)

Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)

Titel: Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
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Schlangenphobie schon weit gebracht. Ich kann zum Beispiel in einen Reptilienzoo gehen und völlig ruhig die Viecher hinter den Glasscheiben betrachten.“ Gasperlmaier dachte bei sich, dass er – auch ohne Therapie – jeden Abgrund jederzeit durch dicke Glasscheiben hindurch ohne jede Panik zu betrachten bereit war, wollte aber das Thema nicht vertiefen und erhob sich. Bevor er sich auf den Weg nach unten machte, holte er noch schnell den eingesammelten Müll aus seiner Jackentasche und warf ihn in den Müllsack, der leer und verlassen, vom Wind ein wenig angestupst, in seinem Gestell neben dem Gipfelkreuz baumelte. Misstrauisch, wie es ihm schien, beobachtete ihn die Frau Doktor dabei. „Was schmeißen Sie denn da weg, Gasperlmaier?“, fragte sie argwöhnisch. Gasperlmaier zuckte die Schultern. „Nur ein bisschen Mist, den ich zusammengeklaubt habe“, antwortete er, ohne sich einer Schuld bewusst zu werden. Die Frau Doktor aber stürzte wie eine Hyäne auf den Müllsack zu, öffnete den Deckel und versuchte, ganz unten im Dunkeln zu identifizieren, was Gasperlmaier hineingeworfen hatte. „Haben Sie nicht daran gedacht, dass Ihr Müll vom Mordopfer beziehungsweise vom Mörder stammen könnte?“ Die Frau Doktor schüttelte indigniert den Kopf, während sie einen Latexhandschuh überzog und einen Plastikbeutel aus einer Tasche ihrer Wanderjacke zutage förderte. Sie musste den Müllsack ein wenig nach oben ziehen, um auf seinen Grund langen zu können. „Aha!“ Sie betrachtete die Fundstücke. „Ein Müsliriegel, und ein gebrauchtes Papiertaschentuch! Vor allem das Taschentuch, Gasperlmaier! Eine hervorragende DNA -Quelle!“ Sie stopfte die beiden Fundstücke in ihren Plastikbeutel und verstaute ihn in ihrer Jacke. „Jetzt müssen Sie mir noch zeigen, wo Sie das gefunden haben!“ Gasperlmaier wurde schwarz vor Augen, zum einen, weil er es nicht wahrhaben wollte, dass er jetzt noch einmal an der Kante der Loserwand nach einer Stelle suchen sollte, an der jetzt sicher nichts mehr lag, zum anderen, weil sich bereits die Dämmerung herabzusenken begann. Den ganzen Nachmittag über hatte er ohne zu murren getan, was man ihm aufgetragen hatte, er persönlich jedoch für gänzlich sinnlos hielt, doch nun platzte ihm der Kragen. „Frau Doktor, wie stellen Sie sich denn vor, dass ich im Nebel eine Stelle finden soll, an der ich jetzt eben nichts mehr finden kann? Ich habe schließlich kein Staberl mit einer Nummer an der Stelle hinterlassen, wie eure Tatortmenschen das gern tun! Und außerdem wird es finster! Wir müssen hinunter!“
    Die Frau Doktor zog die Augenbrauen nach oben. Nicht, wie es Gasperlmaier schien, aus Verachtung, sondern aus fast so etwas wie Respekt vor dem plötzlichen energischen Gefühlsausbruch Gasperlmaiers. „Sie haben recht“, gestand sie ein. „Wir gehen hinunter. Vielleicht schicke ich morgen noch einmal jemanden herauf.“
    Gasperlmaier hatte es eilig. Wortlos trat er den Abstieg an, und er drehte sich nur dann um, wenn er meinte, die Schritte der Frau Doktor nicht mehr zu hören. Die jedoch, so merkte er, bemühte sich, mit seinem nun forschen Tempo Schritt zu halten. Als sie nach weniger als einer Viertelstunde wieder etwa bei jener Stelle angelangt waren, an der sie zuvor den markierten Steig verlassen hatten, um nach dem Fundort der Leichen zu suchen, tauchte vor Gasperlmaier plötzlich ein Licht aus dem immer undurchdringlicher werdenden Grau des Nebels auf. Es war der Kilian mit einer Stirnlampe. „Ich hab euch schon gesucht“, keuchte er, „weil es schon finster wird!“
    Ein Glück war es, dass ihnen der Kilian heimleuchtete, denn als sie bei der Hütte anlangten, war es bereits fast völlig dunkel geworden. „Ich bin der Einzige, der noch heroben ist“, sagte der Kilian, auf die Hütte deutend, deren Fenster ebenso dunkel glänzten wie der Himmel darüber, „die anderen sind alle schon hinuntergefahren.“ Der Kilian verschwand in der Hütte, während die Frau Doktor und Gasperlmaier auf ihren Audi zusteuerten. Gasperlmaier öffnete die Beifahrertür, und als sie losfuhren, wurde ihm bewusst, dass er die Loserstraße noch nie bei Dunkelheit hinuntergefahren war.
    Gasperlmaiers Füße schmerzten. Die Bergschuhe waren ihm anscheinend doch etwas zu eng, so bequem sie ihm zunächst auch erschienen waren. Nachdem sie aus der Hüttenzufahrt in die Straße eingebogen waren, begann die Frau Doktor, die während der letzten halben Stunde ziemlich wortkarg gewesen war, wieder

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