Letzter Gruss - Thriller
jedenfalls für eine Journalistin. Warum?«
Sein Film war zu Ende, und er nahm sich eine neue DVD vom Stapel. Freitag, 15.00 Uhr begann mit zwei alten Damen, die sich mehr füreinander als für die Kunst um sie herum zu interessieren schienen.
Gabriella schaltete auf Normalgeschwindigkeit und studierte eine Gruppe Japaner, die sich allesamt vor Dardels Gemälde fotografieren ließen.
»Sie ist absolut aufrichtig, darum wirkt sie manchmal robuster, als sie ist. Es war vermutlich ein Fehler, sie zu diesem Brief zu zwingen.«
Die Japaner verschwanden, sie schaltete wieder auf Fast Forward.
»Sehen Sie sich das an«, sagte Jacob.
Um 15.27 Uhr betraten zwei junge Leute den Saal und betrachteten »Der sterbende Dandy«. Man sah sie lediglich von hinten. Die Frau hatte langes Haar, dunkel, jedoch nicht schwarz. Die Nuance war wegen der Farbdarstellung nicht genau zu erkennen. Neben ihr ging ein hochgewachsener, gutgebauter Mann mit hellblondem Haar. Er legte der Frau den Arm um die Schulter, sie strich ihm über den Rücken und steckte die Hand in seinen
Jeansbund. Gemeinsam gingen sie ganz nah an das Bild heran. Sie schienen es konzentriert und eingehend zu betrachten.
»Meinen Sie, das könnten sie sein …?«, fragte Gabriella.
Jacob antwortete nicht.
Das Paar sprach nur wenig. Sie interessierten sich für keines der anderen Werke. Damit ihm nichts entging, spulte Jacob nicht vor.
Die jungen Leute blieben die nächsten fünfzehn Minuten vor der Leinwand stehen, die ganze Zeit Arm in Arm.
Dann wandten sie sich plötzlich um und verließen den Raum. Die Frau hielt den Kopf gesenkt, doch in dem Moment, als der Mann den Durchgang erreichte, warf er sein Haar zurück. Die Überwachungskamera fing seine ebenmäßigen Gesichtszüge messerscharf ein.
Gabriella schnappte nach Luft.
»Das ist er«, sagte sie. »Der Typ vom Phantombild.«
Schnell hielt Jacob das Bild an. Seine Stimme war heiser vor Aufregung.
»Jetzt habe ich dich, du Schwein.«
39
Dessie verteilte ihre Notizen und ihre Rechercheunterlagen auf Gabriellas Schreibtisch.
Ein Element im System der Mörder war ihnen mehrfach aufgefallen: Sie klauten. Sie ließen Kameras, Schmuck, elektronische Geräte wie iPods und Handys, Kreditkarten und andere Wertgegenstände mitgehen, die alle eines gemeinsam hatten: Sie ließen sich leicht auf dem illegalen Markt umsetzen.
Sie lehnte sich auf dem Stuhl zurück und kaute an ihrem Kugelschreiber.
Wenn man von den Morden und den gewaltsamen Kunstarrangements absah, was blieb dann von den Postkarten-Killern übrig?
Klar, sie waren simple Kleinkriminelle.
Und wie verhielten sich solche Leute?
Um diese Frage zu beantworten, musste sie nicht lange recherchieren.
Sie waren Gewohnheitsmenschen wie alle anderen auch.
Verbrecher, die in Wohnungen einbrachen, begannen fast immer im Schlafzimmer. Dort fanden sie Schmuck und Bargeld. Als Nächstes nahmen sie sich das Arbeitszimmer mit Laptop und Videokameras vor. Zum Schluss gingen sie durchs Wohnzimmer, denn dort standen die sperrigen Gegenstände wie Fernseher und Stereoanlagen. Nach dem Bruch mussten sie das Diebesgut loswerden.
Und genau an dieser Stelle wurde Dessies Gedankengang interessant.
In der Regel lieferten die Diebe ihre Beute bei einem Hehler ab, oft weit unter Preis. Ein Umstand, den die Diebe akzeptierten, denn einen sicheren Abnehmer für die Sachen zu haben, war ein großer Vorteil. Aber was taten Schurken, die keine solchen sicheren Kanäle hatten? Nun, sie verkauften die Ware an Pfandhäuser, Drogendealer, Läden, Bekannte oder Fremde.
Welche Möglichkeiten hatten also die Postkarten-Killer?
An jedem Ort waren sie Fremde, das bedeutete, dass ihnen jegliche Art von lokalem Netzwerk fehlte. Sie hatten also weder einen Hehler noch Bekannte, und sie würden kaum das Risiko eingehen zu versuchen, ihr Diebesgut an wildfremde Menschen zu verkaufen.
Sie nahm den Telefonhörer ab, rief bei der Zentrale an und bat, mit Mats Duvall verbunden zu werden.
Er nahm das Gespräch in seinem Büro an, sie schrieb sich die Durchwahl auf, die auf dem Display erschien.
»Hallo, also, Entschuldigung, hier ist Dessie Larsson, ich habe eine kurze Frage. Überprüfen Sie die Pfandhäuser?«
»Die Pfandhäuser? Warum sollten wir das tun? Wir wissen ja nicht, was genau gestohlen worden ist.«
Er legte auf.
Dessie blieb mit dem Hörer in der Hand sitzen.
In diesem Fall wussten sie es aber doch.
Gabriella hatte die Marke der Armbanduhr erwähnt, sie hatte es sich
Weitere Kostenlose Bücher