Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
konnte Purnimas Stimme hören, die ihn anflehte: «Du musst dich untersuchen lassen. Gleich morgen.»
    Er ging in die Küche und zählte in ihrem Kalender nach. Noch siebenundvierzig Tage. Mit dem Finger auf dem eingekringelten Datum sagte er laut, damit sie ihn auch hören konnte: «Wenn ich zur Untersuchung gehe und sie sagen, dass ich Diabetes habe, wird mich das schwächen, Purnima. Ich gehe nicht vor dem 3. Oktober.»
    Er ging zurück ins Badezimmer, um die Ameisen wegzuspülen. Aber auch hier floss kein Wasser.
    Er tippte auf den Lichtschalter; die Lampe über dem Waschbecken reagierte nicht.
    Er öffnete die Tür und stellte fest, dass die Türklingel von 3 B, die nun leer stand, definitiv funktionierte; er hörte, wie unter ihm Nina, das Dienstmädchen der Pintos, Wasser laufen ließ.
    Das Rätsel wurde gelöst, als er zum Schwarzen Brett hinunterging.
    BEKANNTMACHUNG
    Wohnungsgenossenschaft Vishram Society Turm A
Protokoll der Mitgliederversammlung von Turm A,
abgehalten am 16. August
THEMA: AUSSCHLUSS EINES MITGLIEDS AUS DER
GENOSSENSCHAFT
    Nachdem eine beschlussfähige Mehrheit anwesend war, begann die Versammlung wie geplant ungefähr um 19.30 Uhr.
Mr Ramesh Ajwani (2 C) übernahm den Vorsitz und trug das Anliegen der Mitglieder vor.
    1. TAGESORDNUNGSPUNKT
    Wie in Abschnitt 35, Ausschluss von Mitgliedern, Maharashtra Cooperative Societies Act 1960, ausgeführt und in Verbindung mit Punkt 51 bis 56 der Satzung wird festgestellt, dass eine Genossenschaft durch Beschluss einer Mehrheit von nicht weniger als drei Vierteln der stimmberechtigten Mitglieder …
    … oder seine Wohnung gewohnheitsmäßig für unmoralische oder illegale Zwecke nutzt.
    Aus diesen Gründen wurde von Mr Ajwani der Antrag gestellt, Yogesh Murthy, Wohnung 3 A (vormals bekannt als «Masterji») aus der Genossenschaft auszuschließen, da er seinen Pflichten nicht regelmäßig nachgekommen und in seinen Räumlichkeiten fragwürdigen und unmoralischen Aktivitäten nachgegangen ist.
    Ibrahim Kudwa (4 C) unterstützte den Antrag.
    Trotz wiederholter Aufforderung – und es wurde mehrmals bei ihm geklopft – erklärte sich Mr Murthy nicht bereit, vor der Genossenschaftsversammlung Stellung zu nehmen.
    Einstimmig wurde der Beschluss verabschiedet, Mr Murthy aus der Genossenschaft auszuschließen und ihn aufzufordern, seine Räumlichkeiten binnen 30 Tagen.
    … Die Anwesenden sprachen dem Vorstand ihren Dank aus; die Versammlung endete gegen 20.30 Uhr.
    Die vollständige Liste der Mitgliederunterschriften findet sich in der Anlage. Vierzehn der sechzehn Anteilseigner der Genossenschaft haben das Formular unterschrieben.
    Kopie 1 an die Bewohner der Wohnungsgenossenschaft Vishram Society, Turm A
    Kopie 2 an Mr A. Kothari, Verwalter, Wohnungsgenossenschaft Vishram Society
    Kopie 3 an den Registerbeamten für Wohnungsgenossenschaften in Mumbai
    Er lag im Dunkeln und spürte das Gewicht zweier Stockwerke voller Menschen über sich und dreier unter sich, Menschen, die ihn aus dem Haus vertreiben wollten, das zweiunddreißig Jahre lang sein Heim gewesen war, Menschen, die ihn nicht einmal mehr für ein menschliches Wesen hielten, das Licht und Wasser braucht.
    Er hatte sofort Parekh angerufen.
    «Das ist absolut illegal», sagte der Rechtsanwalt. «Punkt eins. Ausschluss aus einer Wohnungsgenossenschaft ist eine ernste Angelegenheit – das Entziehen des Grundrechts auf Unterkunft – und nur gegenüber Kriminellen und Leuten, die in der Pornografiebranche tätig sind, berechtigt. Der Registerbeamte für Wohnungsgenossenschaften wird das im Fall eines angesehenen Lehrers nicht gestatten. Punkt zwei. Laut dem Gesetz für Grundbedarf von 1955 ist das Abschalten von Wasser oder Strom ohne Gerichtsbeschluss eine strafbare Handlung. Der Verwalter Ihres Hauses kann dafür ins Gefängnis kommen. Ich werde Ihnen eine Mitteilung diktieren, die Sie besagtem Verwalter vorlegen sollten.»
    «Ich muss erst einen Stift suchen, Mr Parekh.»
    «Geben Sie mir die Telefonnummer dieses lausigen Verwalters», sagte der Anwalt. «Und ich werde ihn selbst anrufen. Ich werde jeden Tag mit einem guten Dutzend korrupter Verwalter fertig.»
    Anfang des Sommers war von Stromsperren in Mumbai die Rede gewesen, und er hatte vorsorglich Kerzen gekauft. Eine davonbrannte jetzt auf dem Teakholztisch. Das Wachs tropfte, der geschwärzte Docht ragte hervor. Er dachte an Purnimas Körper, wie er sich auf seinem Scheiterhaufen schwarz verfärbt hatte. Er dachte an das gerahmte

Weitere Kostenlose Bücher