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Leuchtende Sonne weites Land - Roman

Titel: Leuchtende Sonne weites Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran Sylvia Strasser
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Leben entdecken. Kein einziger Vogel, kein Känguru, kein Emu und schon gar kein Mensch war zu sehen.
    Vera sehnte sich nach Gesellschaft. Es musste nicht einmal Mike sein, wie sie sich mit schlechtem Gewissen eingestand. Jeder wäre ihr recht: ein Schafscherer, ein Reisender, der sich zufällig auf ihre Farm verirrte, oder einer der Aborigines, die in der Nähe lebten. Sie wollte endlich einmal wieder eine richtige Unterhaltung führen, ein Gespräch ohne Schuldzuweisungen oder versteckten Groll. Vera würde sogar mit Freuden über das grässliche Wetter plaudern, wenn sie sich nur endlich mit jemandem austauschen könnte.
    Mike zog sich immer mehr von ihr zurück, und Vera kannte auch den Grund: Ihre Verbitterung wuchs mit jedem Tag. Kaum betrat er abends das Haus, fing sie an, sich über ihre Einsamkeit zu beklagen. Sie konnte einfach nicht anders. Sie hatte es versucht, sie hatte es wirklich versucht. Zwei Tage zuvor hatte sie ihm schluchzend ihr Herz ausgeschüttet. Sie habe sich verändert, sie erkenne sich selbst nicht mehr wieder, und sie hasse die Person, die sie geworden sei. Mike hielt sie ganz offensichtlich für hysterisch. Sie solle sich beschäftigen, sich Aufgaben suchen, die sie ausfüllten. Das hatte er ihr schon einmal geraten. Er begriff nicht, dass harte Arbeit nichts an der Tatsache änderte, dass sie von morgens bisabends ganz allein war. Wo waren denn die versprochenen Besucher? Kein Mensch war bisher zu Besuch gekommen. Er hatte sie auch nicht ein einziges Mal zu Jacqueline nach Wilpena oder zu Tess nach Arkaba gefahren, was sie ihm jeden Tag schmollend vorhielt.
    Vera drückte das Gesicht an die Fensterscheibe. Die Fenster waren schmutzig, aber es war ihr egal, und das sah ihr gar nicht ähnlich. Wozu sollte sie die Fenster putzen oder die Fußböden schrubben? Wozu den Kampf gegen den Staub oder den Morast aufnehmen, wenn niemand da war, der blitzblanke Fenster oder Böden zu würdigen wusste? Wenn Mike abends todmüde heimkam, interessierte ihn weder ein sauberes Zuhause noch seine Frau – jedenfalls kam es Vera so vor.
    Die Enttäuschung über ihre Ehe und der Verdruss über die Einsamkeit nagten fortwährend an ihr. Sie wusste, das war nicht gut, aber sie konnte nichts dagegen tun. Es war, als hätte sich eine dunkle Wolke über sie gesenkt und hüllte sie vollständig ein. Und das Traurige war, dass sie das alles schon einmal durchgemacht hatte.
    Mike hatte darauf bestanden, nach seiner Schafherde zu sehen. Es sei doch Wahnsinn, bei diesem Unwetter das Haus zu verlassen, hatte Vera ihm entgegengehalten. Sie hatte ihn angefleht, bei ihr zu bleiben. Vergebens. Jetzt, einige Stunden später, stand sie einsam am Fenster und starrte auf das rund dreitausend Hektar große, durch Zäune in symmetrische rechteckige Koppeln eingeteilte Land hinaus, das sich in eine rote Schlammwüste verwandelt hatte. Und noch immer goss es in Strömen. Es war ein deprimierender Anblick. Nicht einmal der beeindruckende St. Mary Peak, die höchste Erhebung in der Gegend, konnte sie trösten. Sie fühlte sich wie eine Gefangene in diesem Haus, dessen Wände sich unaufhaltsam auf sie zuzubewegen schienen.
    Die beklemmende Stille wurde nur vom Ticken der Standuhr, einem Erbstück der Rawnsleys, unterbrochen. Da das Dach über dem Hauptteil des Hauses relativ hoch war, war das Trommeln desRegens auf dem Blech nur gedämpft zu hören. Im Anbau allerdings war das Dach bereits eine Stunde, nachdem Mike und sein Verwalter gegangen waren, undicht geworden. Das Wasser tropfte direkt über dem Funkgerät, das dort auf einem Tisch stand, von der Decke. Vera hatte zwar versucht, den Tisch wegzurücken, aber er war viel zu schwer, und so hatte sie das Funkgerät ein Stück weggerückt und einen Eimer unter die durchlässige Stelle gestellt. Sie konnte das monotone Tropfen des Wassers in den Blecheimer hören – wie ein Echo des Tickens der Standuhr. Auch das Verandadach war an mehreren Stellen undicht geworden, sodass sie nicht einmal einen Schritt vor die Tür machen konnte.
    Veras Beklommenheit wuchs mit jeder Minute. Ihre Nervosität steigerte sich ins Unerträgliche. Sie hatte viel Zeit gehabt, über ihr früheres Leben nachzudenken. Sie hatte allein in einer bezaubernden kleinen Wohnung im fünften Stock in New Jersey gelebt und als Telefonistin in einer großen Werbeagentur gearbeitet, die den ganzen elften Stock in einem der höchsten Gebäude New Jerseys einnahm. Das Wetter hatte sie praktisch nur zur Kenntnis

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