Leuchtende Sonne weites Land - Roman
Die Luft wurde ihr bei dem harten Aufprall aus den Lungen gepresst. Einige Augenblicke blieb sie ganz still liegen und versuchte, wieder zu Atem zu kommen.
Plötzlich hörte sie ein Geräusch. Yuri kam zu ihr gekrochen. Sie blickte auf, in sein tränennasses Gesicht. Er hatte eine Schramme auf der Wange und Knie und Ellenbogen aufgeschürft, schien aber ansonsten unverletzt. Jacqueline war unsagbar erleichtert. Sie sagte nichts, lächelte ihm nur beruhigend zu. Vorsichtig, mit schmerzverzerrtem Gesicht, richtete sie sich auf. Sie presste die Lippen fest aufeinander, um nicht laut aufzustöhnen und den Jungen zu erschrecken. Ganz langsam schälte sie sich aus ihrer Strickjacke.
»Hab keine Angst, Yuri, es ist alles in Ordnung, ich will dir nur helfen«, sagte sie leise und begütigend. »Ich werde dich zu deiner Mama zurückbringen, okay?« Aber als sie dem Kind ihre Jacke umlegen wollte, wich es ängstlich zurück.
Jacqueline bedrängte den Jungen nicht. Sie rappelte sich hoch und blickte sich suchend nach einer Stelle um, wo sie hinaufklettern könnte. Als sie es versuchte, rutschte sie sofort wieder ab, die lehmige Erde gab nach. Yuri beobachtete sie wachsam.
Jacqueline ging weiter, und Yuri folgte ihr in einiger Entfernung. Abermals versuchte sie hinaufzuklettern, aber die Wand aus Erde und Fels war zu steil und bot ihr keinen Halt. Sie hätte schreien mögen vor Wut und Enttäuschung, doch sie beherrschte sich um Yuris willen.
Großartig, dachte sie bitter. Jetzt sitzen wir beide hier unten fest. Soviel sie wusste, hatte Ben nicht vor, den Jungen in dieser Gegend zu suchen. Ob Dixie inzwischen zur Farm zurückgekehrt war? Im Moment schien das ihre einzige Chance zu sein, gefunden zu werden. Die Sonne stand jetzt so hoch am Himmel, dass sie in die Felsspalte hineinschien. Jacquline setzte sich in ihr wärmendesLicht und winkte Yuri zu sich, doch der Junge blieb, wo er war, und rieb sich weinend die Augen.
»Armer kleiner Kerl«, sagte Jacqueline leise.
Alles was er brauchte, war eine liebevolle Umarmung, ein bisschen Trost und ein paar beruhigende Worte. Wenn er ihr doch nur vertrauen würde! Sie musste Geduld mit ihm haben, doch das fiel ihr schwer. Seufzend legte sie den Kopf auf ihre angezogenen Knie und schloss die Augen. Sie hatte den Eindruck, dass sie ihm noch mehr Angst einflößte, wenn sie ihn direkt ansah. Und tatsächlich: Nach ein paar Minuten spürte sie, dass der Junge sich neben sie setzte.
Jacqueline rührte sich nicht. Eine Weile blieben sie regungslos nebeneinander sitzen. Dann hob Jacqueline vorsichtig den Arm und legte ihn um die kalten Schultern des Kindes. Yuri ließ es zu und lehnte sich an sie. Er war völlig erschöpft und verängstigt und sehnte sich nach menschlicher Wärme. Jacqueline kamen die Tränen.
»Du hast bestimmt Hunger und Durst, nicht wahr?«, flüsterte sie.
Dann fiel ihr das Stück Brot ein, das sie sich an diesem Morgen in die Hosentasche gestopft hatte. Sie rutschte ein Stück zur Seite, um es herauszukramen. Es sah inzwischen reichlich mitgenommen aus, doch das störte Yuri nicht im Geringsten. Er riss es mit beiden Händen an sich und schob es sich gierig in den Mund. Ein zaghaftes, dankbares Lächeln spielte um seine Lippen, das Jacqueline ganz glücklich machte.
»Keine Angst, Ben und Nick werden uns finden, das verspreche ich dir.«
Bald stand die Sonne so hoch am Himmel, dass die Hitze schier unerträglich wurde. Sie mussten einen schattigen Platz finden, um nicht zu viel Flüssigkeit zu verlieren. Jacqueline stand auf. Das abgekämpfte, dösende Kind in den Armen ging sie schwankenddurch die Schlucht. Sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, und Yuri war schwer.
Plötzlich fiel ein Schatten auf sie. Sie drehte sich um und blinzelte in die gleißende Sonne hinauf.
»Ben? Bist du das? Nick?«, rief sie, aber eine innere Stimme sagte ihr, dass es ein Fremder war, dessen Umrisse sich dunkel dort oben abzeichneten.
Ein dumpfer Aufprall hinter ihr ließ sie erschrocken herumfahren. Vor ihr stand ein Aborigine mit einem Speer in der Hand und einem mörderischen Gesichtsausdruck. Er riss ihr den Jungen aus den Armen, trat an die Felswand und hob ihn dann hoch über seinen Kopf. Jemand, der oben stand, nahm das Kind entgegen. Jacqueline war erleichtert, dass Yuri in Sicherheit war.
Sie fragte sich allerdings, welches Schicksal ihr bevorstand.
24
»Ben!«, schrie Vera, als sie draußen Stimmen hörte.
Sie lief zur Tür hinaus und durch den frisch
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