Leuchtende Sonne weites Land - Roman
gejäteten Garten zum Zaun, hinter dem Ben, Nick und die vier Jungen von ihren Pferden stiegen. Sie hatten einen Zeitpunkt ausgemacht, um sich zu treffen und über ihr weiteres Vorgehen zu beraten, falls sie Yuri bis dahin nicht gefunden hätten. Vera konnte ihren finsteren Mienen ansehen, dass ihre Suche erfolglos geblieben war.
»Ist was passiert?«, fragte Ben stirnrunzelnd, als er Veras panischen Ausdruck sah.
»Jacqueline ist verschwunden! Ich habe heute Morgen die Hunde gefüttert, und als ich zurückkam, war sie fort. Dixie ist auch weg.«
»Verdammt«, stieß Ben zornig hervor.
Nick stieg sofort wieder in den Sattel.
»Was tust du denn da?«, wollte Ben wissen.
»Wonach sieht es denn aus?«
»Ich dachte, wir seien uns einig gewesen, dass wir Verstärkung anfordern.«
»Tu das. Ich werde unterdessen weitersuchen, nicht nur nach Yuri, sondern vor allem auch nach Jackie.«
Ben seufzte. Er war zu müde, um sich zu streiten. »Keine Angst, wir werden sie schon finden«, sagte er beruhigend zu Vera. Er schickte sich an, ebenfalls wieder aufzusteigen.
»Du bleibst da«, befahl Nick. »Du bist völlig erledigt.«
»Du etwa nicht?«
»Ich bin jünger als du«, konterte Nick. »Also nimm wenigstens ein Mal Vernunft an!« Er sah Vera an. »Hast du eine Ahnung, in welche Richtung sie geritten ist?«
»Mir war, als hätte ich jemanden zur Straße hinunterreiten hören. Ich dachte, es sei einer von euch, aber das könnte natürlich auch Jackie gewesen sein.«
Nick schüttelte den Kopf. »Von uns war es keiner.«
»Dann ist sie bestimmt am Fluss entlanggeritten, dorthin, wo wir den Widder gefunden haben«, meinte Geoffrey.
»Das wäre denkbar«, murmelte Nick nachdenklich.
Das Gebiet am Fluss entlang war das einzige, das sie noch nicht abgesucht hatten. Da abgesehen von den Eukalyptusbäumen kaum etwas entlang des meist ausgetrockneten Wasserlaufs wuchs, war es kein guter Platz zur Nahrungssuche für die Aborigine-Frauen. Wurzeln oder Früchte gab es dort kaum. Nur die Männer gingen dort gelegentlich auf die Jagd. Das bedeutete, dass Dot nie, oder nur höchst selten, mit ihrem Jungen in der Gegend gewesen war, und deshalb war es unwahrscheinlich, dass Yuri dorthin gegangen war.
Bevor Ben etwas einwenden konnte, riss Nick sein Pferd herum und galoppierte davon.
Ben sah ihm grimmig nach. »Wir sollten unsere Nachbarn anfunken und eine breiter angelegte Suche starten.«
»Ich finde, wir sollten abwarten und Onkel Nick eine Chance geben«, erwiderte Geoffrey. »Bis auf die Flussufer haben wir alles abgesucht. Vielleicht hat er Glück.«
Ben überlegte kurz und nickte dann. »Also gut. Wir werden uns stärken und ein wenig ausruhen. Falls er in ein paar Stunden nicht zurück ist, werden wir ihm nachreiten.«
Die Anspielung auf sein Alter nahm er seinem Bruder zwar übel, aber er konnte selbst seinen Söhnen ansehen, dass sie völlig erschöpft waren. In den letzten vierundzwanzig Stunden hatten sie kaum geschlafen, und wenn er ehrlich war, konnte er sich kaum noch auf den Beinen halten.
Vera musterte ihn besorgt. »Du musst dich unbedingt ausruhen, Ben. Man sieht dir und deinen Jungs an, wie abgekämpft ihr seid.«
»Erst müssen wir Yuri finden«, erwiderte er mit matter Stimme. »Der kleine Kerl muss nach einer Nacht ganz allein in der Wildnis doch völlig verängstigt sein. Hoffentlich ist ihm nichts zugestoßen.«
Vera war zutiefst gerührt. Ben war so ein wundervoller Mann. Wie könnte sie ihn nicht lieben? Sofort jedoch schob sie diesen Gedanken von sich. So etwas durfte sie nicht denken. Eine Beziehung zu ihm konnte einfach nicht richtig sein.
Vera machte Rühreier und brühte starken, belebenden Tee auf.
»Was hat sich Jacqueline bloß dabei gedacht, sich ganz allein auf die Suche zu machen?«, fragte Ben, der ihr in die Küche gefolgt war, kopfschüttelnd. Er setzte sich mit seinen Söhnen an den Tisch. »Sie kennt sich doch praktisch nicht aus hier in der Gegend! Wahrscheinlich hat sie sich jetzt auch noch verirrt.«
»Sie fühlt sich schuldig«, erwiderte Vera zerstreut.
Ben starrte sie an. »Soll das heißen, sie hat etwas mit Yuris Verschwinden zu tun?«
»Nein, nein, so hab ich das nicht gemeint.«
»Wie dann? Und was hat es mit Dots Behauptung, Jackies Mutter habe ein schwarzes Kind getötet, auf sich? Stimmt das etwa?«
»Nein. Dot hat nur den ersten Teil der Geschichte gehört.« Vera setzte sich zu Ben. »Jackies Mutter hat 1946 an einer Ballettschule in Atlanta, Georgia,
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