Leuchtende Sonne weites Land - Roman
Fäuste. »In meinem Fall nicht. Du wirst derjenige sein, der keine Kinder haben wird, Henry.«
Er sprang auf. »Wie kannst du so etwas behaupten? Hätte es Verity nicht auf mein Geld abgesehen, hätte ich sehr wohl eine Familie mit ihr gegründet.«
Jacqueline schüttelte den Kopf.
»Wie kannst du dir so verdammt sicher sein?« Jetzt war es Henry, der ärgerlich wurde.
»Weil ich schwanger bin«, antwortete Jacqueline und stand ebenfalls auf. Sie liebte es, diese Worte laut auszusprechen.
Henry wurde blass und starrte sie ungläubig an. »Heißt das, dass wir …?«
Wieder schüttelte sie den Kopf. »Nicht ›wir‹, Henry. Ich bin mit einem anderen Mann zusammen und erwarte ein Kind von ihm.«
Henry stand da wie vom Donner gerührt, während sein Verstand zu erfassen versuchte, was sie gerade gesagt hatte. Er nahm ihre innere Stärke zur Kenntnis. Sie war nicht zusammengebrochen, wie er insgeheim gehofft hatte. Sie war nicht in seine Arme gesunken und hatte geschluchzt, wie sehr ihr altes Leben ihr fehle. Nein, sie wirkte ruhig und gefasst. Zum ersten Mal fiel ihm auf, dass sie auch ohne teure Kleider oder Make-up richtig gut aussah.
Er konnte es nicht fassen. In seiner Welt war kein Stein auf dem anderen geblieben, aber Jacqueline war glücklich in ihrer Welt, auch wenn es eine andere war als die, die sie gekannt hatte. Seine Hoffnungen, alles könnte wieder so wie früher werden, zerstoben schlagartig. Er schlug die Hände vors Gesicht und fing zu weinen an.
Jacqueline war verblüfft. Das hatte sie nicht erwartet. So kannte sie Henry überhaupt nicht. Instinktiv legte sie ihre Arme um ihn, tröstend, wie eine gute Freundin.
Sie sah Nick nicht kommen, aber er sah, wie sie den anderen Mann umarmte.
Nick war mit Ian Benson in die Stadt gefahren, um ein Ersatzteil für seine Brunnenpumpe zu besorgen. Auf dem Heimweg waren sie auf ein schnelles Bier bei Sally eingekehrt. Sie hatte von dem Mann erzählt, der behauptete, Jacquelines Ehemann zu sein, und der sich nach dem Weg zur Farm erkundigt hatte.
Nick war beunruhigt. »Ich muss sofort nach Hause.«
Unterwegs gab er Ian Benson eine Kurzfassung der Ereignisse. »Brauchst du Hilfe?«, fragte Ian spontan.
»Nicht nötig, das schaffe ich schon. Lass mich oben an der Zufahrt raus.« Er wollte das Überraschungsmoment auf seiner Seite haben, aber nun war er es, der überrascht worden war.
Ihm war nie der Gedanke gekommen, Jacqueline könnte zu ihrem Mann zurückkehren. Daher haute es ihn schier um, als er die beiden eng umschlungen in der Küche stehen sah. Er hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit.
Ein Bild aus der Vergangenheit blitzte vor seinem inneren Auge auf. Er sah die Frau, die er damals in Broome geliebt hatte, in den Armen seines besten Freundes.
Jacqueline hörte das Aufheulen eines Motors, Reifen, die auf dem Kies knirschten. Als sie durch die geöffnete Haustür blickte, sah sie Nick im Geländewagen davonpreschen. Sie wusste sofort, dass Nick das Schlimmste annahm.
»Geh jetzt, Henry«, sagte sie panisch. Wo war Ben? Sie musste Ben finden. Er würde wissen, wo Nick hingefahren war.
»Was? Aber wieso denn?«, stammelte er. »Was ist denn?«
»Gar nichts«, lautete die knappe Antwort.
»Aber …«
»Ich wünsche dir alles Gute für die Zukunft, aber geh jetzt. Ich habe etwas Wichtiges zu erledigen.« Sie schob ihn Richtung Tür.
Aber Henry musste erst noch ein weiteres Geständnis ablegen.
Eine halbe Stunde später kletterten Jacqueline und Ben in den Morris und fuhren in die Stadt.
»Bist du sicher, dass Nick in der Bar ist?«, fragte Jacqueline zum dritten Mal.
»Ziemlich sicher.« Ben trat das Gaspedal durch, so weit es ging.
Unterwegs erzählte Jacqueline ihm, was Henry zugestoßen war. Dass er sie auch noch um Geld gebeten hatte, verschwieg sie ihm allerdings. Vielleicht hatte er gehofft, sie werde ihm ihre Abfindung anbieten. Doch sie hatte andere Pläne mit dem Geld. Sie wollte Nick ein neues Flugzeug kaufen und den Bensons ein bisschen unter die Arme greifen, damit sie sich Vieh kaufen und sich die Bank vom Halse halten konnten, bis wieder bessere Zeiten kamen. Wenn Henry so dumm war, sein ganzes Vermögen zu verlieren, hatte er eben Pech gehabt.
Jacqueline gab ihm so viel, dass er nach Melbourne zurückfahren konnte. Er solle doch seinen Bruder um einen Job bitten, schlug sie vor. Seinen Gesichtsausdruck würde sie niemals vergessen. Henry war verdammt tief gesunken. Das Leben hatte ihm eine bittere Lektion erteilt,
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