Leuchtende Sonne weites Land - Roman
Vergnügen«, versicherte Ben.
»Nein, ich bin neugierig, was er will. Ich werde mit ihm reden.«
Ben nickte, obwohl er nicht begeistert war. »Soll ich hierbleiben?«
»Nein, Ben. Ich würde lieber mit ihm allein reden, wenn es dir nichts ausmacht.«
»Gut. Ich bin im Stall, falls du mich brauchst.«
Henry traf eine knappe Stunde später auf der Farm ein. Er hatte an jedem Tor gehalten, bis er endlich das Schild mit der Aufschrift wilpena station entdeckte. Ungläubig war er die lange, staubige Auffahrt hinaufgefahren. Er war sicher, dass er falsch war.
Jacquelines erster Gedanke war gewesen, sich umzuziehen und in ihre New Yorker Sachen zu schlüpfen, doch ihr war schnell klar geworden, wie albern das gewesen wäre. Die Zeiten, in denen sie Henry hatte gefallen wollen, waren längst vorbei.
Als Henry aus dem Mietwagen stieg, schaute er sich sprachlos um und versuchte, sich seine Jacqueline in dieser ländlichen Abgeschiedenheit vorzustellen. Er ließ seine Blicke über die rote Erde, die Eukalyptusbäume, die schlichten Gebäude schweifen. Statt sanfter grüner Hügel sah er im Hintergrund nur kupferfarbene Felsen aus dem Boden ragen. Das steinere Haupthaus war ein schmuckloser Bau. Der Acker vor dem Haus erinnerte ihn kein bisschen an den kleinen farbenfrohen Garten, den sie in New York ihr Eigen genannt und den Jacqueline so geliebt hatte. Es war ein umgegrabenes Fleckchen Erde, das völlig kahl war und nicht sehr einladend aussah.
Jacqueline stand am Fenster und beobachtete Henry. Seine Miene erinnerte sie an ihre eigene bestürzte Reaktion bei ihrer Ankunft auf Wilpena. Eine Ewigkeit schien seitdem vergangen, und ihre Einstellung der Farm gegenüber war eine völlig andere geworden. Sie trat auf die Veranda hinaus und lehnte sich an einen Pfosten.
Als Henry Jacqueline erblickte, starrte er sie fassungslos an. Er erkannte sie kaum wieder. Sie trug ein weites, sackähnliches Kleidund flache Schuhe, hatte sich die Haare zurückgebunden und war ungeschminkt. Er hätte nie gedacht, dass sie ihr Äußeres so vernachlässigen könnte.
»Jacqueline?«, sagte er zaghaft.
Sie wusste, dass es ihre äußere Erscheinung war, die ihn so aus dem Gleichgewicht brachte. »Henry«, erwiderte sie kalt.
Er öffnete das Tor, das in den Angeln quietschte. Dieses Geräusch und die fremde Stimme weckten die Hunde, die auf der hinteren Veranda gedöst hatten. Blue und Rusty schossen um die Ecke und auf Henry zu, den sie wütend anbellten. Sie taten nur so grimmig, sie wedelten mit dem Schwanz vor freudiger Aufregung über den unbekannten Besucher. Doch das wusste Henry nicht. Er wich erschrocken zurück und hüpfte vor Angst vor ihren gefletschten Zähnen hin und her. Jacqueline genoss das Schauspiel einen Augenblick, bevor sie die Hunde zurückrief und hinters Haus schickte.
»Was willst du hier, Henry?«
Er holte ein paarmal tief Luft, bis er sich einigermaßen von dem Schrecken erholt hatte. Henry hatte nie etwas für Hunde übrig gehabt, Jacqueline seines Wissens auch nicht. Und dennoch gehorchten ihr die Hunde aufs Wort. Er ging langsam auf sie zu, wobei er sich ängstlich nach allen Seiten umschaute, ob er vielleicht wieder attackiert würde. Hühner gackerten, womöglich wurde er gleich von einem rabiaten Hahn angegriffen.
»Ich … äh … du … äh … siehst gut aus, Jacqueline.« Er bemühte sich zwar, diplomatisch zu sein, aber sein Gesichtsausdruck sprach Bände.
»Mir geht es auch sehr gut, danke, Henry. Aber ich nehme nicht an, dass du hergekommen bist, um mir das zu sagen«, erwiderte sie frostig.
Henry musterte Jacqueline befremdet. Er fragte sich, ob er die Schuld an ihrem schlampigen Äußeren trug. Hatte sie die Trennung von ihm nicht verkraftet und vernachlässigte sich deshalb? »Du … hast dich verändert.«
»Du dich auch«, bemerkte sie. »Du hast zugenommen. Bewegst du dich nicht mehr?« Nicht, dass es sie wirklich interessiert hätte.
»Nein.« Henry zog verlegen seinen Bauch ein. »Du scheinst nicht sehr überrascht über meinen Besuch.«
»Sally, die Wirtin vom Hawker Hotel, hat dich per Funk angemeldet.« Sie wusste, was Henry jetzt denken würde.
»Per Funk?«
»Es gibt kein Telefon hier draußen.«
»Kein Telefon? Was zum Teufel ist das hier?«
»Eine Schaffarm. Komm rein, Henry.« Jacqueline ging ihm voraus in die Küche. Henry blickte sich angewidert um. Die Küche kam ihm sehr primitiv vor.
»Du hast meine Frage noch nicht beantwortet.« Sie bedeutete ihm, sich zu
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