Leuchtende Sonne weites Land - Roman
Er freute sich sichtlich, dass Tess und Vera eine Interessentin für die Stelle auf der Schaffarm mitgebracht hatten.
»Ich kenne Ben Dulton, ich bin sogar durch meine Frau entfernt verwandt mit ihm. Vor einigen Jahren lernte ich ihn auf einem Familientreffen in Port Augusta, der Heimatstadt meiner Frau, kennen – auf seiner Farm war ich auch schon. Er ist ein sehr netter Mann«, sagte George. »Normalerweise gehört Heiratsvermittlung nicht zu meinem Metier«, fügte er dann schmunzelnd hinzu, »aber Ben, der selbst sehr glücklich verheiratet war, hatte Mitleid mit den einsamen Farmern in den Flinders Ranges und bat mich deshalb um diesen Gefallen.«
»Sind Sie sicher, dass er keine Frau für sich selbst sucht?«, fragte Jacqueline ohne Umschweife.
»Ganz sicher. Seine Frau starb erst vor zwei Monaten ganz plötzlich an Herzversagen. Ihr Tod hat ihn furchtbar mitgenommen. Die beiden standen sich so nahe, wie das bei zwei Menschen nur möglich ist. Ich habe nie ein glücklicheres Paar kennen gelernt. Auch wenn es sich klischeehaft anhört, aber sie waren seelenverwandt. Cindy zu ersetzen wäre das Letzte, das Ben vorschwebte.«
»Sie haben mir meine Frage hoffentlich nicht übel genommen, aber ich wollte ganz sichergehen. Vielleicht könnten Sie mir mehr über die Stelle erzählen, Mr. Cavendish?«
»Aber gern. Was möchten Sie denn wissen?«
»Mr. Dulton hat Kinder, wie ich gehört habe.«
»Das ist richtig, er hat vier Söhne, die alle an der Seite ihres Vaters auf der Farm arbeiten. Ben braucht jemanden, der im Wesentlichen dafür sorgt, dass zu Hause alles glattläuft, während er sich um die Farm kümmert oder vielleicht auch mal ein paar Tage unterwegs ist. Ich sollte vielleicht noch hinzufügen, dass Wilpena Station in einer der landschaftlich schönsten Gegenden South Australias liegt.«
Das beeindruckte Jacqueline nicht im Mindesten. Sie interessierte sich nicht für die Landschaft, sondern für die elementaren Fragen. »Würde die Betreffende auch das Kochen und Putzen übernehmen müssen?«
Bevor George antworten konnte, sagte Vera schnell: »Es gibt doch Hausangestellte dort, nicht wahr, Mr. Cavendish?«
George, ein scharfsinniger Mensch, sah sie an und begriff sofort, zumal ihm der Widerwille in Jacquelines Stimme nicht entgangen war. Auf der anderen Seite hielt er sie für eine gescheite Frau, die sich für Bens Farm als Gewinn erweisen könnte. »Ja, äh … das ist richtig. Es gibt eine Frau dort, die kocht und sauber macht.«
»Und warum kann sie dann nicht den Haushalt führen?«, fragte Jacqueline.
George machte ein nachdenkliches Gesicht, während er sich seine Antwort sorgfältig zurechtlegte. »Nun, Dot ist zwar fleißig,aber sie hat die Dinge einfach nicht im Griff. Sie gehört zu den Menschen, die keinerlei Organisationstalent haben.«
»Sie schon«, sagte Vera zu Jacqueline. »Hab ich nicht gesagt, dass das eine wertvolle Fähigkeit ist?«
»Bens jüngerer Bruder lebt übrigens auch auf dem Anwesen«, warf George ein.
»Wohnen sie alle im selben Haus?« Jacqueline versuchte, sich vorzustellen, mit zwei Männern und vier mehr oder weniger erwachsenen Jungen unter einem Dach zu leben. In dem großen Haus, das sie mit Henry bewohnt hatte, waren sie abgesehen von Mrs. Bronte allein gewesen.
»Nein, Nick wohnt in dem kleinen Haus, in dem früher der Buchhalter wohnte. Er hilft überall dort, wo er gebraucht wird, sei es mit den Schafen oder beim Hufeschmieden oder bei der Buchführung. Er ist ein Eigenbrötler, ein richtiges Original.«
»Beim Hufeschmieden?« Jacqueline zog die Brauen hoch. »Benutzen sie da draußen etwa noch Pferde als Fortbewegungsmittel?«
»O ja, in dem Gelände dort sind sie zum Schafetreiben unverzichtbar.«
»Aber es gibt doch auch Autos, oder?«, fragte sie. Dass sie den Eindruck hatte, dass das Landleben ziemlich primitiv war, sagte sie nicht laut.
»Aber selbstverständlich. Sehr viel mehr kann ich Ihnen allerdings nicht über die Stelle sagen, Miss Walters. Wie gesagt, Ben sucht jemanden, der für den reibungslosen Ablauf im Haus sorgt.«
»Jemanden, der organisieren kann«, ergänzte Vera. »Darin ist Jacqueline besonders gut.«
»Wunderbar!«, meinte George. »Und wer wäre geeigneter für diese Rolle als eine Frau?« Er lächelte Jacqueline zu. »Na, was sagen Sie dazu?«
»Ich weiß nicht recht.« Sie zögerte. »Wie muss ich mir das Haus denn vorstellen?« Alice’ Bemerkung über Wohnungen im ländlichen Raum hatte sie nicht
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