Leuchtende Sonne weites Land - Roman
Blicke bemerkte, die er mit Verity wechselte, kam plötzlich ein Verdacht. »Ich nehme an, Sie waren auch an Bord?«, wandte er sich in scharfem Ton an Verity. Er kannte die Antwort bereits.
Verity wollte sich nicht nachsagen lassen, eine Ehe zerstört zu haben. Manchmal, so hätte sie gerne erklärt, war es eben Schicksal, wenn zwei Menschen sich begegneten, die füreinander bestimmt waren. Im Grunde hatten sie Jacqueline einen Gefallen erwiesen, denn jetzt hatte sie die Gelegenheit, den Mann zu finden, der wirklich zu ihr passte.
»Ganz recht«, erwiderte sie und reckte trotzig das Kinn in die Höhe. »Ich bin mit meinem Sohn und meinen Eltern gereist.«
Und ohne Mann, dachte Philip. »Ich glaube, allmählich verstehe ich«, sagte er langsam, während er seinen Blick über ihr üppiges, tief ausgeschnittenes Dekolletee, den viel zu knappen Rock und die stark geschminkten Augen wandern ließ.
Doch er konnte nicht ihr allein die Schuld geben. Henry hatte sich in Begleitung seiner Frau befunden. Er hätte mehr Stärke beweisen und der Versuchung widerstehen müssen.
»Ich wollte dir morgen alles erklären«, sagte Henry hastig. »Wenn ihr uns nur eine Minute zuhört, dann …«
»Ich glaube, ich habe genug gehört«, fiel Ruth ihm ins Wort und machte ein verkniffenes Gesicht. »Erspare uns bitte die Einzelheiten.« Sie mochte sich gar nicht ausmalen, was die arme Jacqueline durchgemacht hatte.
»Ja, wir haben auch so verstanden«, fügte Philip hinzu. Er stand auf und sagte zu seiner Frau: »Komm, Liebes, ich möchte nicht, dass unser Tisch anderweitig vergeben wird.« Eigentlich hatte er Henry und Jacqueline zum Essen einladen wollen, um gemeinsam ihr Wiedersehen und seinen Hochzeitstag zu feiern, doch das hatte sich nun in Rauch aufgelöst, genau wie Henrys Ehe. Er hatte nicht die Absicht, den Abend mit seinem Bruder und diesem billigen Flittchen zu verbringen.
Philip und Ruth wandten sich ohne ein weiteres Wort ab.
Henry geriet in Panik. »Philip!«
Sein Bruder drehte sich um. Sein Blick war kalt, seine Miene frostig.
»Was ist mit unserer Verabredung morgen? Wir wollten doch über unsere Teilhaberschaft reden.«
»Ich lasse von mir hören«, erwiderte Philip kurz angebunden mit einem letzten strafenden Blick auf Verity. Dann fasste er seine Frau um die Taille und ging in Richtung Tür.
Henry sah den beiden nach. Als sie den Speisesaal verlassen hatten, sank er stöhnend in sich zusammen. Verity musterte ihn ärgerlich, auf der anderen Seite war sie froh über diese Entwicklung. Henrys Bruder schien voller Vorurteile zu stecken, ein Glück, dass nun wahrscheinlich nichts aus der Teilhaberschaft werden würde.
»Philip ist stocksauer«, sagte Henry bedrückt und winkte dem Kellner, damit er ihm nachschenkte. »Was, wenn er mich jetzt nicht mehr als Kompagnon haben will?«
»Dann suchst du dir eben etwas anderes«, erwiderte Verity achselzuckend.
»Ohne Partner geht es aber nicht«, fuhr Henry sie an. »Wer ein Geschäft gründen will, braucht eine Menge Startkapital.«
»Du hast doch genug, oder etwa nicht?« Diesen Eindruck hatte er ihr zumindest vermittelt.
»Ich habe auch Verpflichtungen Jacqueline gegenüber.«
»Sie hat doch gesagt, dass sie nichts von dir will.«
»Sie hat in ihrem Zorn nicht gewusst, was sie gesagt hat. Es ist nur gerecht, dass ich ihr nach zehn Jahren Ehe eine anständige Abfindung zahle.«
»Wie du meinst«, erwiderte Verity spitz. Ihre Augen funkelten vor Eifersucht. Anscheinend dachte er öfter an seine Frau, als sie ahnte. »Ich hätte da eine Idee. Einer der Geschäftspartner meiner Eltern ist abgesprungen, vielleicht kannst du ja seine Anteile übernehmen.«
Henry hörte nur mit halbem Ohr zu. Der Kellner hatte ihm kaum nachgeschenkt, als er sein Glas auch schon wieder leerte. »Als Geschäft kann man das im Grunde nicht bezeichnen, oder?« Er hatte sich mit Ron und Maxine auf dem Dampfer kurz über deren Pläne unterhalten, sich aber nicht wirklich dafür interessiert.
»Vielleicht nicht in dem Sinne, wie du es kennst. Aber Dad hat heute erfahren, dass einer der Investoren für das geplante Bauvorhaben sein Kapital für ein anderes Projekt benötigt. Nach allem, was ich gehört habe, scheint das Ganze sehr profitabel zu sein, das Kapital ist nicht lange gebunden. Sie kaufen Lagerhallen auf, die nicht mehr genutzt werden, und bauen sie zu Wohnungen um. Normalerweise dauert das nicht länger als ein halbes Jahr. Danach werden die Apartments mit großem Gewinn
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