Leuchtendes Land
hätte ich Gewißheit.«
Erst jetzt bemerkte George, dass Fred mit Freunden unterwegs war. »Geht schon voraus, Leute, ich will mich nur noch kurz mit Mr. Gunne unterhalten.«
»Was ist los, George? Gibt es irgendwelche Neuigkeiten?«
»Nein. Thora kann sich an gar nichts erinnern. Ich muss bloß wissen, wer diese Frau ist.«
»Wieso? Schnüffelt ihr Anwalt herum?«
»Nein, außer uns beiden stellt niemand Nachforschungen an. Sehen Sie, Fred, ich habe mich zu Hause äußerst unbeliebt gemacht, weil ich Thora besucht habe.«
»Das kann ich gut verstehen. Alice würde sie am nächsten Baum aufhängen, wenn es nach ihr ginge. Sie hat mir gar nicht gesagt, dass Sie Thora besuchen.«
George bemerkte Freds wissenden Blick und lächelte. »Sie wissen doch Bescheid, oder? Dass ich ein Exsträfling bin, meine ich.«
»Das geht nur Sie etwas an.«
»Nun, es ist lange her. Jedenfalls waren Thora und Clem sehr gut zu mir, und daher möchte ich nicht für eine Seite Partei ergreifen. Finden Sie heraus, was ich wissen will. Wenn es etwas mit dieser verdammten Geschichte zu tun hat, werde ich es Ihnen sagen.«
George log. Sollte diese Mrs. Cornish tatsächlich Lydias Mutter sein, durfte sie auf keinen Fall in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses geraten. Zum Glück hatte sie Einflussreiche Freunde und war augenscheinlich ebenfalls auf Diskretion bedacht.
Nach diesem Gespräch kehrte George zu seinem Bier zurück, doch inzwischen war es abgestanden.
George begegnete dem Arzt auf den Stufen des Krankenhauses. »Schön, Sie zu sehen, Mr. Gunne. Eine schlimme Zeit für Ihre Familie! Ich hörte, Sie hätten Mrs. Price besucht. Wie geht es ihr? Die Zeitungen kauen immer nur dasselbe wieder.«
George ärgerte sich über die Neugier des Arztes und wechselte das Thema. »Wie ich hörte, ist Mr. Price zu sich gekommen.«
»Wer hat das erzählt?«
»Fred Vosper.«
»Verstehe. Er sieht, was er sehen möchte. Auch, was die Politik angeht. Ein Dahergelaufener, der davon überzeugt ist, dass er unseren etablierten Abgeordneten einen Sitz im Parlament entreißen kann. Der Freund der Arbeiter! Du lieber Himmel, was wird als Nächstes kommen?«
»Wollen Sie damit sagen, dass es Clem nicht bessergeht?«
»Nicht direkt. Mr. Price hat sich erholt, doch er fiebert. Er weiß nicht, wo er sich befindet. Gestern hat er phantasiert, er würde von Aborigines angegriffen, und heute waren es Haie. Ich habe versucht, ihn zu beruhigen. Er glaubt, er habe im Meer geschwommen, sei von einem Hai angegriffen worden und habe irgendwelche Leute in irgendeinem Haus um Hilfe gerufen. Mrs. Gunne sagt, ihm gehöre ein Strandhaus. Vielleicht geistert ihm das durch den Kopf.«
»Oder alles Mögliche andere, was ihn von der Wahrheit ablenkt«, meinte George. »Er hat Thora sehr geliebt. Vielleicht sucht er nach einer Erklärung, die es ihm erspart, sich mit den Tatsachen auseinanderzusetzen.«
Der Arzt hörte nicht mehr zu. Seine Zeit war zu kostbar, um solche Spekulationen anzustellen. Er stürmte davon, um ein älteres Paar zu begrüßen. »Herzlichen Glückwunsch, Sie haben einen Enkel …«
George ging durch die Halle, lief an einer Dame, die mit einem ungebärdigen Jungen im Matrosenanzug kämpfte, vorbei, stieg die Treppe hinauf und gelangte dann in einen Flur, der mit eisernen Bettgestellen, Krücken und Wäschekörben vollgestellt war. Schließlich erreichte er den Ostflügel dieses Irrgartens. Dort lag Clems Zimmer.
Clem schlief. Alice saß an seinem Bett und sah so bleich und verhärmt aus, dass George ganz weh ums Herz wurde. Bisher war alles so glatt für sie beide gelaufen. Doch letztlich würde alles wieder in Ordnung kommen. Das war der Lauf der Dinge.
Er küsste Alice und legte Clem die Hand auf die Stirn. »Er fiebert noch immer. Gelingt es ihnen nicht, das Fieber zu senken?«
»Der Arzt ist sehr freundlich, er tut, was er kann.«
»Was ist mit dir? Soll ich dir eine Tasse Tee holen?«
Sie schüttelte müde den Kopf. »Nein danke.«
George zog sich einen Stuhl heran. Er dachte über Gefängnisse nach. Clem war zur Zeit hier gefangen, doch Thora musste gleich mit zwei Gefängnissen zu Rande kommen – dem realen und dem in ihrem Kopf. Aus Letzterem würde sie sich noch lange nicht befreien können.
»Ich habe Fred Vosper getroffen«, sagte er, um überhaupt etwas zu sagen. »Er ist ganz aufgeregt wegen der Wahlen. Wäre schon komisch, wenn er gewinnen würde. In meinem ganzen Leben habe ich noch keinen
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