Liberty: Roman
ebenso gut zu Hause bleiben können!«
»Nein, denn sie leben hier wie die Könige.«
»Ja, aber das hat nichts damit zu tun, Afrika zu helfen«, sage ich. Samantha kommentiert es nicht.
»Hast du … deine Mutter mal gesehen?«
»Ich war oben – Marcus hat mich hochgefahren.«
»Und?«
»Sie ist jetzt eine weiße Farmersfrau. Superkolonialistin. Sie lebt es verdammt noch mal aus.« Ich stecke mir eine Zigarette an, um nicht mehr sagen zu müssen – nur rauchen. Samantha erzählt nichts von ihren Eltern. Ich habe die Ellenbogen auf die Schenkel gestützt und kann sie nicht sehen. Ich sage es, wie es ist: »Ganz plötzlich zeigt sich, dass die eigenen Eltern Idioten sind.«
»Ja«, erwidert Samantha. »Ich will jedenfalls nicht so werden, wenn ich erwachsen bin – lieber werde ich überhaupt nicht erwachsen.«
»Du sagst es.«
»Sie haben mich als Baby hierhergeschleppt, und nun reden sie darüber, mich nach England zu schicken. Würdest du gern wieder zurück nach Dänemark?«
»Weiß ich nicht so genau.«
»Schwer zu sagen, wie es da ist, oder?«
»Kalt«, sage ich.
Ich hebe den Kopf und lächele sie an: »Willst du fahren?«
»Na klar.«
Ich lege meine Finger vor ihren Bauch; er ist weich und warm, und gleichzeitig spüre ich die Muskeln darunter. Samantha lenkt das Motorrad auf die Lema Road, dann fliegen wir über die Löcher in der Fahrbahn.
Marcus
SCHMAROTZERORGANISMEN
Tante Elna besucht uns noch einmal. Ich sehe sie kaum. Sie stopfen sie sofort zusammen mit den Kindern ins Auto und fahren auf eine lange Safari zum Ngorongoro und in die Serengeti. Aber bevor sie zurück nach Schweden fliegt, stellt sie die Frage: »Wie sehen deine Zukunftspläne aus, Marcus?«
Was soll ich antworten? Sie fragt die Larssons, während ich dabeistehe: »Was habt ihr euch mit Marcus gedacht?«
»Vielleicht kommt er auf eine Fortbildung nach Schweden«, sagt Jonas. »Das Projekt hat eine Menge Möglichkeiten.«
»Wann wirst du ihn schicken?«, fragt Tante Elna.
»Das liegt an Marcus. Zuerst muss er durch seine Arbeit beweisen, dass er bereit dazu ist.«
Beweisen? Ich habe zweieinhalb Jahre seine Kinder großgezogen. So etwas kann man nicht so lange machen, ohne seinen Wert gezeigt zu haben. Wenn du zweieinhalb Jahre als Bauer lebst und du erntest nichts, dann ist es besser, du vergräbst dich selbst in der Erde. Jonas will mich gar nicht nach Schweden schicken. Denn wer soll sich dann um seine Kinder kümmern, wenn er in Majengo pumpt oder im Moshi Club trinkt?
Jonas’ Stimmung mir gegenüber ist nicht gut. Er weiß, dass ich alles über seine Aktivitäten außerhalb des Ehebetts weiß. Aber er braucht mich, als heimlichen Spion in den Ecken des Projekts, während er in Majengo den Playboy spielt. Und ich brauche ihn, damit ich in meinem Ghetto leben kann und dem Flugzeug nach Schweden näher komme. Die Falle ist perfekt. Wir bewegen uns im Kreis – Schmarotzerorganismen. Und ich bin noch in einem anderen Netz gefangen. An einem Samstag werde ich von mama GM um neun Uhr abends ins Hotel Tanzanite außerhalb von Arusha beordert, Zimmer Nr. 18. Bei den Larssons muss ich die klassische Lüge abliefern: »Mein Onkel in Arusha ist todkrank.« Ich fahre zu der hässlichsten Aufgabe meines Lebens, von der ich einfach nicht erzählen kann. Ekel.
DER PREIS DER LIEBE
» Lass uns den Wagen des Projekts nehmen und einen kleinen Urlaub in Daressalaam machen«, sagt Rosie. Ich weiß, es ist unmöglich, doch ich erzähle ihr eine glatte Lüge, obwohl es falsch ist. Aber ich träume so oft von ihrer hübschen Papaya, dass ich nicht anders kann.
»Ja, ich werde sehen, wann es möglich ist.« Meine Antwort ist korrekt. Nach fünf Minuten liegen wir nackt wie die Kinder im Bett. Nach dem Spektakel liegen wir da und streicheln uns.
»Du brauchst auch bald dein eigenes Haus«, sagt Rosie. »Wenn du so hart für das Projekt arbeitest, kannst du doch nicht wie ein Houseboy in einem Ghetto wohnen .«
» Ja«, sage ich. Tsk , all diese Probleme.
DER HEILIGE GEIST
Tita kommt in ihrem Wagen. »Hej, Tita.«
»Hallo, Marcus«, sagt sie und geht direkt zu Katriina ins Haus. Ich schleiche auf die andere Seite, zum Fenster. Tita weint.
»Das ist doch wunderbar. Und ich dachte, es läuft nichts mehr zwischen euch«, sagt Katriina.
»Na ja, ich weiß wirklich nicht …«, sagt Tita.
»War es vielleicht der Heilige Geist?«, fragt Katriina. Tita lacht unter Tränen. Der Heilige Geist? Mir läuft es kalt den Rücken herunter,
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