Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbob
Vom Netzwerk:
Jetzt kann ich berühmt werden.
    Die Party läuft. »Dreh auf«, sagen sie. Und ich drehe immer weiter auf, aber ich bekomme Bauchschmerzen, weil der Verstärker so klein ist. Dann kommt der Bursche, der die Reden koordiniert, zu mir.
    »Gib mir das Mikrofon«, sagt er. Und ich kann nur sagen: »Sei so nett und rede laut.« Ein Mikrofon gibt es nicht. Um wirklich ein Hit zu sein, braucht man ein Mikrofon, damit der Redner sich wichtig fühlen kann; man braucht kein normales Licht, man benötigt eine Lichtmaschine, die blinkt. Solche Sachen habe ich nicht. Was soll ich machen?
    HAUS DER BOSHEIT
    Eine alte Frau kommt zu meinem Haus. Ich bitte sie herein. »Rhema hat deinen Sohn geboren«, sagt sie – es ist Rhemas Großmutter. Im Dorf wären Rhemas Vater und Brüder gekommen, sie könnten mich zwingen, sogar töten. Aber Rhema wohnt in Soweto und hat nur einen jüngeren Bruder und eine Großmutter. Sie sagt: »Du musst dich um sie kümmern.« Claire hat dem Hausmädchen befohlen, auf den Kiosk zu achten. Sie kommt herein und grüßt. Ich sage: »Rhema war mit vielen Männern zusammen. Sie hat am West-Kilimandscharo sogar bei einem mzungu gelegen.«
    »Das Baby ist schwarz wie du, mit einer Chagga-Nase und einem Chagga-Mund. Und du weißt, dass sie damals nur mit dir zusammen war.«
    »Sie kann nicht herkommen, hier wohnt bereits eine Frau im Haus, und wir haben unser Kind bekommen.«
    »Du hast die Verantwortung für Rhema«, sagt die Großmutter.
    »Es ist unmöglich, mit zwei Frauen in einem Haus zu leben – du darfst nur eine lieben, sonst würde eine von ihnen dich töten.«
    »Du kommst in die Hölle, wenn du dich nicht um das Kind kümmerst. Die Bosheit wird in deinem Haus wohnen.«
    Vielleicht ist das Kind, das Rhema geboren hat, mein Kind, aber nur ein Richter kann das feststellen und bestimmen, ob ich zu zahlen habe. Rhema hat kein Geld für einen Richter, und ich will nicht in die Richtung laufen, die eine Hexe mir weist.
Christian
    Taxi zum Norad-Haus, wo Jarno wohnt. Wir fahren sofort zu einer Bar. Kilimanjaro Hotel. Es ist Nachmittag. Heiß. Ich schwitze. Mentaler Jetlag, obwohl ich in der gleichen Zeitzone bin. Die Aeroflot war laut und hat nach altem Schmutz und billigen industriellen Desinfektionsmitteln gestunken. Die Toilettenbrillen aus Holz waren mit klumpiger schwarzer Ölfarbe überschmiert. Wir trinken. Ich gehe zum Pinkeln aufs Pissoir. Es gibt keine Naphtalinkugeln, sie sind einfach nicht zu beschaffen. Tropischer Stil, meine Pisse plätschert über frische Zitronenscheiben. Aber flüssige Seife gibt es, fantastisch. Ich pumpe sie mir auf die Handfläche, öffne den Wasserhahn und … kein Wasser. Versuche es mit dem anderen Hahn. Nichts. Scheiße. Meine Hand ist voller Seife. Gehe aufs WC. Kein Toilettenpapier, mit dem ich die Seife abwischen könnte. Schaue hinein, braune Kalkspuren an der Innenseite der Toilettenschüssel, aber sauberes Wasser am Boden. Ich stecke die Hand hinein. Bewege sie im Wasser, das von der Seife schäumt, bis die Haut an der Handfläche sich straff und fest anfühlt, wenn ich mit den Fingerspitzen darüber fahre. Spüle, wobei ich die Hand unter das Wasser halte, das vom vordersten Teil der Toilette zurückspritzt. Jetzt ist die Zisterne leer. Saubere Hände. Willkommen in Afrika.
    Nach ein paar Bieren nehmen wir ein Taxi nach Msasani und schwimmen in der Oysterbay.
    »Hast du Samantha in letzter Zeit gesehen?«, frage ich Jarno.
    »Ist lange her«, antwortet er.
    »Was macht sie?«
    »Keine Ahnung, Christian. Wir haben uns nicht richtig unterhalten.«
    »Habt ihr euch … verkracht?«
    »Nein, nein, ich weiß nur nicht, mit wem sie herumhängt. Jedenfalls nicht mit mir«, sagt er. Ich belasse es dabei.
    Abends sitzen wir mit Diana, die auf der ISM in Samanthas Klasse ging, in einem Drive-in-Kino. Ich habe das Gefühl, als würden winzige Insekten unter meiner Haut krabbeln, die vor Hitze dampft; verbrannt von der Sonne. Wir betrinken uns mit Konyagi und Cola. Um vier Uhr morgens erwache ich niesend und mit einer Rotznase. Am nächsten Tag habe ich Blasen voller durchsichtiger Flüssigkeit am Nacken und auf der Kopfhaut. Die Blasen platzen, wenn ich sie anfasse. Die Flüssigkeit läuft heraus. Die Hautfetzen trocknen, lösen sich und fallen wie Schuppen herunter.
    Aus Morogoro ruft Jarnos Mutter an und berichtet, die finnische Botschaft würde nach ihm suchen; es hat irgendwie damit zu tun, dass er seinen Militärdienst zu spät angetreten hat. Und nun ist in

Weitere Kostenlose Bücher