Liberty: Roman
mit seinem erloschenen Blick an, in dem auch etwas Wildes lauert. Oder ist das wieder nur Einbildung, weil so viele mir erzählt haben, der Mann sei verrückt?
»Diese dreckigen Mädchen kommen und unterbieten unsere guten Huren direkt vor den Kunden – verstehst du das?«
»Sie sind … Nutten«, antworte ich. »Alle.«
»Das sind wir auch«, entgegnet Benson. »Du. Ich. Wir arbeiten auch für Geld. Meine Huren, die überreichen dir ein Geschenk für dein Geld. Sie sind tüchtig in ihrer Rolle, professionell. Aber die Hündinnen aus Majengo: Du bezahlst sie, damit sie dich krank machen, damit sie dir ein Gefühl des Schmutzes geben. Meine Kunden sollen dem nicht ausgesetzt werden. Ich will diese Art von Problemen nicht noch einmal erleben.« Er dreht sich um, stützt die Ellenbogen auf die Bar, zündet sich eine Zigarette an und trinkt sein Bier. Die Audienz ist beendet.
Wo hören Frauen auf? Wo fangen Huren an? Der Mann, der sie kauft – ist er nicht auch eine Hure? Und die Frau, die sich verkauft – sie versucht, sich ein besseres Dasein zu verschaffen mit dem Mittel, das sie hat: ihrer Möse. Ist das in Ordnung? Ist das ihr Recht? Das Geld, das die Hände wechselt, verändert es etwas? Die Möse ist das Mittel, das bessere Leben das Ziel. Alle Frauen benutzen sie. Und der Mann, der versucht, mit den Mitteln, die er hat, glücklicher zu werden, er erkauft sich den Zugang zu der Möse mit Geld. Wird er glücklich? Was sind die Alternativen?
In der Nacht wird eines der Mädchen, die immer an der Bar sitzen, auf dem Heimweg auf der Straße überfallen. Sie wird von zwei Männern geschlagen und vergewaltigt. Eine malaya verdient Geld und kann sich ein Taxi leisten, aber die Bar-Mädchen dienen nur zur Dekoration. Sie kommen umsonst herein, denn wenn hübsche Mädchen da sind, kommen auch die Männer in die Diskothek. Nun sind die Mädchen wütend. Zwei von ihnen halten mich in der Stadt auf der Straße an.
»Wir müssen eine Busfahrkarte bezahlen, um die Attraktion in deiner Diskothek zu sein«, sagt eine von ihnen, die ich schon oft gesehen habe. »Und wenn wir nach Hause wollen, dann werden wir überfallen. Wir werden nicht mehr ins Golden Shower kommen, weil es außerhalb des Zentrums liegt. Wir gehen wieder ins Moshi Hotel, denn in der Innenstadt gibt’s wenigstens Licht in den Straßen.«
Sie hat recht. Wir brauchen sie – sonst könnte das Moshi Hotel wieder attraktiver werden. Also muss ich mich auch noch darum kümmern, wie die Mädchen zur Diskothek transportiert werden, um sie am Leben zu erhalten. Und mir fehlen Khalid und Ibrahim, ich brauche einen neuen Mann.
Zu Hause hält ein Land Rover vor dem Haus. Vater. Er sitzt mit einem Gin Tonic auf dem Tisch auf der Veranda. In den Armen hält er Halima, die er hochhebt und ihr auf den Bauch prustet, bis sie vor Freude kreischt. Rachel kommt mit einer Schale Erdnüsse aus der Tür, sie sieht mich, lächelt und winkt. Wo habe ich dieses Bild schon einmal gesehen? Ja, normalerweise ist ein junges schwarzes Mädchen bei einem alten weißen Mann. Ich fahre vor die Veranda, stelle den Motor ab.
»Ristjan, Ristjan!«, ruft Halima.
»Hej, Christian«, sagt Vater.
»Hej. Was machst du hier?« Ich gehe hinauf und lasse mich in einen Stuhl fallen. Halima kämpft sich aus den Händen meines Vaters frei und krabbelt mir auf den Schoß.
»Uboll«, sagt sie. Sie versucht, auf Dänisch »Fußball« zu sagen. Vater lacht.
»Ich wollte deine Freundin und Halima besuchen, sie kennenlernen.«
»Wieso?«
»Na ja, weil ich mir denke, dass sie vielleicht mein Enkelkind zur Welt bringen wird«, antwortet er. Dazu sage ich nichts. Ich frage nach Shinyanga, der Arbeit. Er fragt nach der Diskothek, aber nicht nach problematischen Geschichten wie der Arbeitserlaubnis und solchen Dingen.
»Ich soll dich von deiner Mutter grüßen.«
»Ah ja. Du kannst gern zurückgrüßen.«
»Sie würde dich gern sehen.« Ich breite die Arme aus und lache.
»Na ja, aber ich gehe nirgendwohin.«
»Christian. Sie ist deine Mutter.«
»Das ist mir bewusst.«
»Du könntest zumindest ihre Briefe beantworten«, sagt er. Ich bekomme Briefe von ihr, ja. Aber es steht nie etwas Vernünftiges drin.
»Das könnte ich vielleicht tatsächlich.« Ich schaue auf meine Hände.
»Ich dachte, vielleicht gehen wir alle zusammen in das chinesische Restaurant«, schlägt Vater vor.
»Alle zusammen?«
»Ja. Ihr, ich, Katriina und die Mädchen.«
»Wenn wir ein Kindermädchen besorgen
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