Liberty: Roman
das ebenfalls tödlich sein kann.
»Du bleibst im Haus«, ruft Mutter mir zu, bevor sie losfahren. Ich gebe Annemette einen Schokoladenkeks und Juice, damit sie auf andere Gedanken kommt und sich beruhigt. Mama Brian klopft an die offene Verandatür.
»Was ist?«
»Es war nicht meine Schuld.«
»Du hast das Kind nicht hochgehoben, als du die Schlange gesehen hast. Du hast nur dagestanden und geschrien und die Schlange erschreckt«, sage ich. »Du musst verschwinden.«
»Es war nicht meine Schuld.«
»Verschwinde«, wiederhole ich.
»Ich will meinen Lohn«, sagt sie.
»Verschwinde«, sage ich noch einmal und schließe die Tür.
Kurz darauf kommt Vater zurück.
»Ist sie okay?«, erkundigt er sich, und schaut sich Annemette an; er berührt ihre Arme, ihren Kopf, ihre Beine, die Füße. Sie lächelt.
»Ja. Wie geht es Benjamin?«
»Er ist todsterbenskrank. Sie haben ihm ein Multiserum gegeben. Es ist nicht sicher, ob er durchkommt. Wo ist mama Brian?«
»Sie ist gegangen.«
»Es ist wirklich unglaublich. Dass sie nicht hingegangen ist und Annemette auf den Arm genommen hat.«
»Die Afrikaner haben ziemlich viel Angst vor Schlangen«, sage ich.
»Aber sie hat doch die Schlange erst in Panik versetzt. Die Leute sagen, Schlangen greifen normalerweise keine Kinder an – nur, wenn sie sich bedroht fühlen.«
»Die hat sich offenbar bedroht gefühlt, als Benjamin dazukam.«
»Ja, aber er wusste ja nicht, ob Annemette unverletzt war. Ich glaube, er weiß eigentlich, dass man die Schlange töten soll, damit man sie dem Arzt zeigen und das richtige Serum erhalten kann.«
»Das glaube ich auch.«
»Hast du gesehen, wie er mit dem panga auf die Hecke eingeschlagen hat? Er lief wirklich Amok. Und deine Mutter …«
»Ja, das war heftig. Sie glich einem Vampir.« Vater lächelt.
Ein Land Rover hält in der Einfahrt. Zwei Polizisten kommen in Begleitung von zwei Wachen aus der Wachmannschaft der TPC zur Tür, um mama Brian abzuholen.
»Hast du die Polizei gerufen?«, fragt Mutter und sieht Vater an.
»Nein.«
»Wieso sucht ihr nach mama Brian?«, erkundigt sich Vater.
»Wir haben den Auftrag, sie abzuholen«, antwortet einer der Polizisten.
»Und warum sollt ihr sie holen?«, will Mutter wissen.
»So lautet unser Befehl.«
»Aber wieso?«, insistiert Mutter.
»Es ist ein Befehl«, wiederholt der Polizist, dann gehen sie.
»Das ist doch eigenartig«, sagt Vater.
»Ich gehe zur Krankenstation und erkundige mich, ob die etwas wissen«, erklärt Mutter.
Ich begleite sie. Benjamin liegt im Koma. Wir finden den indischen Arzt.
»Bevor er ins Koma fiel, hat Benjamin gesagt, ich soll die Polizei anrufen«, sagt der Arzt.
»Aber wieso?«
»Weil eure Kinderfrau ihre Arbeit nicht ordentlich gemacht hat«, antwortet er.
»Aber wir wollen sie nicht anzeigen«, sagt Mutter. »Wir haben sie entlassen.«
»Man muss seine Arbeit ordentlich erledigen«, erwidert der Arzt. »Sie werden sie schon finden.«
»Und was werden sie dann mit ihr machen?«
Der Arzt schüttelt ernst den Kopf. »Sie wird im Gefängnis bleiben, bis ihr sie anklagt, nachlässig mit dem Kind umgegangen zu sein.«
»Es war ein Unglücksfall«, erklärt Mutter. Der Arzt zuckt die Achseln.
»Dann ist es am besten, Sie reden mit der Polizei, damit sie wieder nach Hause kommt, bevor auf dem Revier ein ernstes Unglück geschieht.«
Mutter seufzt und fragt mich: »Weißt du, wo mama Brian wohnt?«
»Ja, so ungefähr.« Wir gehen nach Hause und fahren mit unserem Peugeot zu dem einige Kilometer entfernt liegenden Dorf, das zur TPC gehört. Die Polizei hat sie bereits abgeholt. Wir drehen wieder um. Vater fährt zum Polizeirevier in Moshi, um den Fall zu klären. Er ist blass, als er wieder nach Hause kommt.
»Sie wurde verprügelt. Die Lippen sind aufgeplatzt, und man sieht blaue Flecken auf der Haut.« Mutter sagt nichts, sie hat Annemette auf dem Schoß. So hat sie dagesessen, seit wir nach Hause gekommen sind. Annemette möchte gern mit ihren Legosteinen spielen, aber Mutter will sie nicht loslassen.
Marcus
FRIKADELLEN
Viele Tage laufe ich herum und frage alle Menschen nach einem Hausmädchen oder einem Koch, der schon einmal bei wazungu gearbeitet hat. Schließlich finde ich Josephina, vertrocknet und alt. Sie kann gut kochen und ist gut zu den Kindern. Katriina erklärt Josephina »kötbullar«.
»Du nimmst gehacktes Fleisch, gekochte Kartoffeln, ein Ei, fein geschnittene Zwiebeln …« Josephina unterbricht sie.
» Eeehhh ,
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