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Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbob
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nicht anmerken zu lassen. »Was ist passiert?«, frage ich noch einmal.
    »Wir waren auf dem Weg nach Hause. Sie ist davongefahren, als ich anhielt, um reinen Tisch zu machen.« Ich sage nichts. Er schaut auf seine verdreckten Klamotten. »Ich musste auf einen Zuckerrohrzug springen, um nach Hause zu kommen.« Die Züge der Plantage fahren die ganze Nacht über, und das Zuckerrohr ist verrußt – die Felder werden abgebrannt, bevor sie abgeerntet werden, um Schlangen und anderes Ungeziefer zu verjagen und die scharfen Außenblätter zu entfernen, die tiefe Wunden in die Haut der Feldarbeiter reißen können. Vater hat meine Frage nicht beantwortet.
    »Aber was war denn los?«
    Er seufzt.
    »Wir haben uns gestritten. Aber ich dachte, sie will mich nur bestrafen und zu Fuß nach Hause gehen lassen.« Er geht zum Telefon, fängt an zu telefonieren. »Ich muss mir ein Auto leihen, damit wir ihr hinterherfahren können. Es war nicht mehr viel Benzin im Tank.«
    Er erreicht Nannas Vater. Es ist halb drei Uhr nachts. »Los, komm«, sagt er, als er aufgelegt hat.
    »Ich komme nicht mit.«
    »Öhhh …« Er hält inne. »Christian, du musst mir helfen … sie zu überreden, nach Hause zu kommen.«
    Aber dabei kann ich ihm nicht helfen. Sie glaubt offenbar nicht mehr, dass wir ein Zuhause haben.
    »Nein«, sage ich. »Sie hat mich nicht mitgenommen.« Er starrt mich eine Weile an. Ich würde ihm gern erzählen, wie ich hier saß und ihr zugesehen habe, als sie das Foto von Annemette nahm und mich sitzen ließ. Aber ich sage nichts.
    »Ich fahre jetzt«, erklärt er, ohne sich zu rühren.
    »Wohin?«
    »Nach Dar natürlich.«
    »Vielleicht solltest du lieber in die andere Richtung fahren – zum West-Kilimandscharo.«
    »Wieso …?«, beginnt er, unterbricht sich aber und geht aus der Tür. Ich gehe ins Bett. Schlafe ein, als es hell wird.
    Als ich am Vormittag aufwache, sehe ich unser Auto vor dem Haus stehen. Alles ist ruhig. Ich schleiche mich in den Flur. Die Tür zum Schlafzimmer ist geschlossen. Ich habe das Gefühl, leise Stimmen zu hören. In der Küche koche ich Kaffeewasser und toaste ein Brot. Frühstücke. Irene kommt herein. Ich lächele sie an, greife nach ihr. Sie entwischt, klapst mich in den Nacken.
    »Also!«, sagt sie.
    »Ich liebe dich«, flüstere ich.
    »Kannst du mir ein Paar Turnschuhe besorgen – so richtig gute, wie du sie hast?«
    »Wieso?«
    »Als Geschenk«, sagt sie und schaut mir überrascht in die Augen.
    »Passen dir meine?«, will ich wissen.
    »Ja.«
    Ich stehe auf und hole sie ihr.
    »Danke.«
    Sie kickt ihre Flipflops beiseite und zieht die Schuhe an.
    »Ich habe zu danken«, erwidere ich. Dann höre ich die Schlafzimmertür meiner Eltern. »Bis bald«, sage ich zu Irene, die rasch ihre Flipflops aufhebt und aus der Tür verschwindet. Sie weiß ganz sicher vom Wachmann, dass die Weißen sich in der letzten Nacht merkwürdig benommen haben.
    Mein Vater kommt in die Küche.
    »Christian. Kannst du heute nicht irgendetwas unternehmen? Also … deine Mutter und ich, wir haben etwas zu bereden.«
    »Okay.«
    »Abgemacht?«
    »Ich bin gleich weg.«
    »Brauchst du Geld?«, fragt er mich. Eigentlich nicht, aber ich sage ja und bekomme etwas.
    »Ich brauche neue Turnschuhe.«
    »Wieso, was ist denn mit deinen?«
    »Sie passen nicht mehr – ich habe sie Irene geschenkt.«
    »Ah ja«, sagt er. »Hm, wir bestellen einfach ein Paar.«
    »Okay.« Er geht wieder. Ich trinke noch eine Tasse Kaffee. Rauche eine Zigarette in der Küche. Finde ein anderes Paar Turnschuhe – ausgetretene – und leihe mir Johns Motorrad. Hole Rogarth ab. Wir fahren nach Kahe, hinunter zum Fluss. Schwimmen eine Runde, obwohl es Krokodile geben könnte, aber das ist selten, und außerdem haben wir einen Massai-Jungen angeheuert, Ausschau zu halten. Wir fahren ins Dorf der Feldarbeiter und kaufen Limonade beim Kaufmann. Es ist Sonntag – eine Menge Arbeiter trinken mbege . Ich biete denen, die ich kenne, Zigaretten an; vor zwei Jahren hatten sie noch Zeit, um am Nachmittag Fußball zu spielen – jetzt schuften sie auf den Feldern. Als ich am späten Nachmittag nach Hause fahre, sehe ich Nanna am Swimmingpool liegen. Ich schalte den Motor ab und rolle auf die Bougainvilleahecke zu. Sie kommt mir entgegen.
    »Hej, Christian.«
    »Hej.«
    »Alles in Ordnung?«
    Ich zucke die Achseln, schaue zu Boden. Ihr Vater kommt auf die Terrasse und läuft über den Rasen. Nanna seufzt. Ich drehe den Zündschlüssel um und klappe den

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