Licht (Gone) (German Edition)
zu ihr aufnahm. Es stimmte, sie mussten sich unbedingt wappnen, und das war eine Aufgabe, die sich Astrid sehr wohl zutraute.
Seit Gaia die Stöpsel in den Ohren hatte, sang und summte sie vor sich hin.
Im Moment hörte sie offenbar Mainlining Murders von Lars Frederiksen and the Bastards, einer Punkband.
»Tolle Playlist, Alex«, ätzte Diana.
Sie lagen in unmittelbarer Nähe des Sees im Schatten eines niedrigen Hangs und hatten aus Reisig ein kleines Feuer angefacht. Das war Dianas Vorschlag gewesen, weil sie insgeheim hoffte, das Licht würde vom See aus bemerkt werden. Und in der Hoffnung, Sam würde dann sofort einen Angriff aus dem Hinterhalt vorbereiten.
Gaia starrte ins Feuer und sang. Sollte sie die Nähe zum See in irgendeiner Weise beunruhigen, ließ sie sich nichts anmerken.
Alex hatte begonnen, Selbstgespräche zu führen. »Geschmolzen, Mann. Geschmolzen«, murmelte er vor sich hin, was auch immer das in Crazy Town bedeuten mochte, wo er neuerdings wohnte.
Diana wartete nur darauf, dass er wegkippte und einschlief. Sie traute ihm nicht über den Weg. Sollte er einen Verdacht schöpfen, würde er sie sofort verraten, um sich bei Gaia einzuschmeicheln.
Diana hatte schon mehrmals erlebt, wie jemand seelisch zerbrach und den Verstand verlor. Aber nie so schnell. Irgendwo hatte sie gelesen, dass Kinder viel belastbarer waren als Erwachsene. Sie fragte sich, wie die Dinge wohl gelaufen wären, wenn an ihrer Stelle über dreihundert Erwachsene in der FAYZ gefangen und mit dem Gaiaphage und den Mutanten konfrontiert gewesen wären – menschlichen wie tierischen.
Schluss jetzt! Sie verlor bloß kostbare Zeit. Sie musste in Aktion treten, bevor Gaia es tat. Denn davon, dass Gaia nurnoch die Nacht abwartete, war sie überzeugt. Dunkel war es ja bereits.
Jetzt oder nie.
»Ich muss mal pinkeln«, stieß Diana angespannt hervor. Sie kam mühsam auf die Beine. Ihre Kniegelenke knackten, jeder Muskel tat weh und die vielen Wunden auf ihrer Haut brannten.
Gaia hob nicht einmal den Blick. Sie hielt sogar die Augen geschlossen. Fast hätte man meinen können, dass sie schlief, doch dann begann sie wieder zu singen.
Diana entfernte sich und versuchte, dabei möglichst unbekümmert zu wirken. Gaia beachtete sie nicht, aber was würde Alex jetzt tun? Sie befürchtete, er könnte sich ebenfalls aus dem Staub machen wollen. Damit würde er alles vermasseln.
Aber der Mann war viel zu sehr damit beschäftigt, so zu tun, als genösse er Gaias schrägen Gesang. Als glaubte er wirklich, Gaia würde ihn dafür mögen.
Armer einarmiger Narr, dachte Diana. Bete lieber, dass sie nicht wieder Hunger bekommt. Oder sich langweilt. Oder dich einfach nur schreien hören möchte.
Sie befanden sich in einer sanft hügeligen Landschaft. Überall ragten Felsblöcke aus dem harten Boden und das hohe, trockene Gras reichte bis an die verdorrten Baumgruppen heran.
Diana wusste, wo sie war: Sinders Gemüsegarten lag gleich hinter dem nächsten Hügel. Der See war keine fünfhundert Meter von hier entfernt.
Sobald sie außer Sichtweite war, rannte sie los. Der Mond – der echte Mond und nicht mehr die Täuschung von früher – war gerade aufgegangen und leuchtete nur schwach.
Ein paarmal geriet sie ins Straucheln und fiel hin, rappelte sich aber sofort wieder auf und lief weiter. Die Schmerzen ignorierte sie. Sie hatte schon Schlimmeres ertragen, viel Schlimmeres. Außerdem trieb sie die Hoffnung an, auf der anderen Seite des Hügels auf Sam und Dekka und Brianna und noch ein paar andere zu stoßen, die es mit Gaia aufnehmen konnten.
Sie nahm jedes Geräusch überlaut wahr: das dumpfe Tappen ihrer Füße auf dem Sand, ihr eigenes Keuchen und das Hämmern in ihrer Brust. Solange sie rannte, hatte sie noch Hoffnung.
Als sie die Umrisse einer Gestalt erspähte, preschte sie direkt auf sie zu.
»Wer ist da?«, rief eine junge Stimme.
»Ich bin’s, Diana«, zischte sie leise. »Nicht so laut!«
»Ich muss dich sehen.«
Sie zwang sich, langsamer zu werden – sich von ihren Rettern erschießen zu lassen, wäre keine gute Idee – und abzuwarten, bis der Junge sie erkannt hatte.
»Kannst du irgendwie Alarm schlagen?«, fragte sie, als er die Waffe senkte.
»Was?«
»Ob du Alarm schlagen kannst?«, fuhr sie ihn an.
»Bei Gefahr soll ich in die Luft schießen.«
»Nein, das würde sie hören. Wir müssen weg. Los!«
Ihre Angst war ansteckend. Der Junge schwang sein Gewehr auf den Rücken und rannte ihr nach. Vor ihnen
Weitere Kostenlose Bücher