Licht und Dunkelheit
der Levarda am liebsten aufgesprungen wäre.
»Und das widerspricht nicht Eurer Tradition?«
Statt zu antworten, presste Levarda ihre Zähne aufeinander. Sie wollte nicht, dass er merkte, wie sehr ihr der Gedanke zusetzte. Die Zeit dehnte sich zu einer gefühlten Ewigkeit.
»Ich werde mir Euren Vorschlag durch den Kopf gehen lassen.«
Eine Woche später war es soweit. Alles passte genau zusammen, als hätte Lishar selbst ihre Hände im Spiel. Die späten Himbeeren im Garten der Frauengemächer näherten sich ihrer Reife, Lady Smira befand sich in ihrer fruchtbaren Phase. Sie hoffte auf eine Gelegenheit, bei ihrer Sitzung mit dem hohen Lord mit Lord Otis zu sprechen. Aber zum ersten Mal, seit sie mit der Behandlung von Gregorius begonnen hatte, war Lord Otis nicht anwesend. Sendad stand hinter ihr, beschränkte sich auf die Rolle des Zuschauers, weshalb Levarda die Sitzung nutzte, das Bedürfnis des hohen Lords nach seiner Frau ein wenig zu intensivieren. Ein anderer Gedanke schlich sich in ihren Kopf: Würde Lord Otis da sein, um seinen Anteil zu der Sache beizutragen?
Von Sendad erfuhr sie, dass er am späten Abend zurückerwartet wurde.
Seit Levarda vermehrt die Kleider aus Mintra trug, kam es vor, dass Adrijana abends gar nicht mehr zu ihr zu kommen brauchte, um ihr beim Umziehen für die Nacht zu helfen. Heute jedoch brauchte sie das Mädchen für ihren Plan.
Sie beobachtete das Gesicht ihrer Magd im Spiegel, als sie ihre Haare bürstete. Adrijana summte ein Lied vor sich hin.
Levarda fiel auf, dass sie verändert aussah. Ihre Haut besaß einen zarten Schimmer, die Augen glänzten und sie strahlte Zufriedenheit aus.
Sie nahm Adrijanas Hand, ließ ihre Sinne tasten – nein das war es nicht.
»Was ist, habe ich Euch wehgetan?«
»Nein, du siehst nur so verändert aus, dass ich dachte, du wärest schwanger.«
Ein Lächeln umspielte die Lippen des Mädchens.
»Liebt Ihr Lord Otis immer noch?«
Ihre Augen trafen sich im Spiegel.
»Nein, ich bin über ihn hinweg«, sie lachte und blinzelte Levarda verschwörerisch zu, »aber verratet es keinem.«
Levarda war, als hätte jemand ihr alle Energie auf einen Schlag entzogen. In ihrem Kopf hallten Lord Otis‘ Worte: ‚ Und das widerspricht nicht Eurer Tradition?‘
Überhaupt hatte er ihr in keiner Weise ein Signal gegeben, ob er auf ihre Idee einsteigen würde oder nicht. Levarda spürte, wie sich Verzweiflung in ihr ausbreitete.
»Wer ist es, den du liebst?«
»Ihr kennt ihn nicht, es ist einer der Soldaten aus Lemars Truppe.«
»Aber nicht Gerolim?«, fragte sie tonlos.
Überrascht sah Adrijana auf. »Ihr kennt ihn? – Was ist los mit Euch, Ihr seht aus, als wäret Ihr dem Tod höchstpersönlich begegnet.«
»Das bin ich«, erwiderte Levarda erstickt, schlug die Hände vors Gesicht und stöhnte.
Das Mädchen kniete sich vor sie hin, zog ihr die Hände vom Gesicht und sah sie an.
»Lady Levarda, gibt es irgendetwas, was ich für Euch tun kann? Egal was. Vergesst nicht, mein Leben ist mit Eurem verbunden.«
Levarda schüttelte den Kopf. Ihr Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen.
»Ihr habt mir ein neues Leben geschenkt«, Adrijana zeigte auf ihr Gesicht, in dem das alte Mal nur noch blass zu sehen war, »mit diesem Gesicht. Sagt mir, was ich für Euch tun kann – bitte.«
»Ich wollte Euch bitten –« Sie brach ab, schüttelte den Kopf.
»Ihr möchtet, dass ich zu Lord Otis ins Bett gehe? Habt Ihr mich deshalb gefragt, ob ich ihn noch liebe?«
Levarda nickte. »Verzeih mir, es war eine furchtbare Idee.«
Adrijana sah sie nachdenklich an. »Ist er so schlimm zu Euch?«, fragte sie mit sanfter Stimme.
Levarda antwortete nicht. Was hätte sie auch sagen können? Nein, ich brauche nur seine lebensspendenden Kräfte für eine wage Idee, deren Erfolg fraglich ist? Ausgeschlossen.
Das Mädchen setzte sich vor ihr auf den Boden. »Wisst Ihr noch, wie ich auf Burg Ikatuk sagte, Ihr würdet die Frau von Lord Otis werden?«
Sie nickte. Es kam ihr mehr als nur ein paar Monate vor. Damals war sie voller Hoffnung gewesen, überzeugt, das Richtige zu tun und voller Überheblichkeit in dem Glauben, dass es nichts gab, was sie mit ihren Kräften nicht erreichen konnte.
»Er hat seit dem Tag, als er mit Euch im Gepäck nach Hause kam, weder Rika noch mich noch irgendeine andere Frau berührt. Ich würde Euch gerne dabei helfen, glaubt mir, und ich habe es oft versucht, aber ich habe keinen Weg mehr zu ihm gefunden.«
»Er würde es heute
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