Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Licht und Dunkelheit

Licht und Dunkelheit

Titel: Licht und Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
Vom Netzwerk:
erklärte ihr, dass der Pächter, den er besuchen wollte, früher einmal der Müller der Gemeinde gewesen war und sich am besten mit den Fragen rund um das Getreide auskannte.
    Der Alte saß auf einer Bank vor seiner Hütte. Ihr Gemahl stieg ab. »Du kannst auf deinem Pferd bleiben, es wird nicht lange dauern.« Aus seinen Satteltaschen holte er Essensvorräte. Die beiden sprachen miteinander.
    Levarda sah sich um, und ihr fiel der liebevoll gepflegte Garten auf. Otis, der sich vor den Alten gehockt hatte und seine Hände hielt, erhob sich, nahm die Vorräte und begab sich in die Hütte. Erstaunt, dass er den Mann berührt hatte, betrachtete sie ihn genauer. Sie bemerkte seinen starren Blick, stieg von Sita ab, ging hinüber und hockte sich vor ihm auf den Boden.
    Mit einem Lächeln wandte er sich ihr zu, ohne in ihr Gesicht zu sehen. Milchig-trübe Augen blickten an ihr vorbei.
    »Warum seid Ihr vom Pferd gestiegen, gnädige Frau?«
    »Wie könnt Ihr wissen, dass ich es bin und nicht Lord Otis?«, fragte Levarda neugierig.
    Er lachte. »Weil Ihr Euch viel zarter bewegt als er und außerdem besser riecht.«
    Sie musste lachen.
    »Wie ist das mit Euren Augen passiert?«
    »Vor langer Zeit, als die Eldemarer über das Dorf herfielen, da verbrannten sie meine Mühle. Meine Frau und unsere drei Töchter hatten Zuflucht gesucht und versteckten sich darin. Ich wollte sie retten, aber ein Balken stürzte auf mich nieder. Seit dem Tag kann ich nicht mehr sehen.«
    »Was passierte mit Eurer Familie?«
    »Sie starben in dem Brand, und seitdem bin ich ein nutzloser alter Mann.«
    »Erzählt meiner Frau nicht so einen Unsinn, Anthis, Ihr seid nicht nutzlos. – Schau dir seinen Garten an.«
    Ja, der Garten stand in einem erstaunlichen Kontrast zu dem übrigen, trockenen Land.
    »Er versorgt die Gemeinde mit Gemüse, Früchten und Nüssen.«
    »Und Euer Lord Otis bringt mir dafür Fleisch und Mehl.«
    In Anthis‘ Stimme lagen Zuneigung und Wärme.
    »Wollt Ihr mich sehen?«, fragte sie sanft.
    Der Gesichtsausdruck des alten Mannes zeigte Verwirrung. »Ich kann Euch nicht sehen.«
    Sie nahm seine rechte Hand und legte sie an ihre Wange, dann nahm sie seine linke Hand.
    Er verstand. Langsam, mit sanften Fingern, tastete er ihr Gesicht ab. Seine Augen begannen zu leuchten. Levarda konnte ganz leicht eine Energie des Wassers in dem Mann fühlen, der wahre Grund, weshalb sie ihm das Sehen mit den Händen erlaubt hatte.
    »Ich kann Euch sehen. Ihr seid wunderschön.«
    Sie lachte, seine Finger lagen an ihrem Mund und er lachte mit ihr.
    »Vorsicht, Anthis, sie ist meine Frau.« Lord Otis trat hinter sie und der alte Mann zog seine Hände zurück.
    »Komm, Levarda, wir müssen weiter.«
    Sie nahm die Hand des alten Mannes und drückte einen Kuss darauf. »Darf ich Euch einmal besuchen kommen?«
    »Wann immer Ihr wollt, sofern es Euer Gemahl erlaubt.«
    Nachdenklich ritt sie hinter Lord Otis her. Der Garten des Mannes hatte Wasser, weil er seine Energie nutzte, um Wasser aus dem Boden zu ziehen. Sein Vorteil lag darin, dass das Grundwasser sich an dieser Stelle viel dichter an der Oberfläche befand. Dennoch ahnte sie die mühselige und anstrengende Arbeit dahinter. Für einen kleinen Garten mochte das funktionieren, für ein Gebiet in der Größe der Besitztümer ihres Mannes nicht. Sie fragte sich, wie viele Menschen mit ihrem Leben von ihm abhingen.
    Sie kamen in einen Wald, doch anstatt ein grünes Dach zu bilden, hingen auch hier die Blätter müde von den Ästen.
    Levarda zügelte Sita und stieg ab. Sie schob die Kapuze ihres Mantels zurück. Lord Otis parierte Umbra durch und wandte sich zu ihr um.
    »Was ist?«
    Levarda antwortete nicht. Ihr war eine Idee gekommen – für etwas, das sie noch nie probiert hatte. Was, wenn sie das Wasser nicht aus dem Boden, sondern aus dem Himmel holte? Der alte Mann hatte nur die Kräfte des Wassers nutzen können. Doch sie konnte mehr Elemente mit ihrem Willen lenken.
    Sie sammelte ihre Energie, trennte alles, was sie nicht für ihr Leben benötigte, ab, breitete die Arme aus. Ihre Sinne tasteten in die Weite des Horizonts auf der Suche nach Feuchtigkeit. Sie verdichtete die Luft, kühlte sie ab, was all ihre Konzentration erforderte. Aus all ihren Poren rann der Schweiß ihren Leib herab, ein winziges Stück mehr, nur noch ein bisschen. Sie erinnerte sich an ihren Zorn, der die Erde zum Beben gebracht und einen Sturm heraufbeschworen hatte. So musste sie ihre Energie fließen lassen.
    Sie

Weitere Kostenlose Bücher