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Licht und Dunkelheit

Licht und Dunkelheit

Titel: Licht und Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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dem Fest Euren vorgesehenen Platz eingenommen hättet.«
    Seine Stimme schnitt durch die Luft. Levarda hielt diesmal den Mund. Langsam bekam sie Übung darin, sich zu beherrschen. Sie gingen weiter, aber er mäßigte seine Schritte.
    Schließlich betraten sie einen Hof ähnlich dem der beiden anderen Burgen, die sie kannte, nur maß dieser das Vierfache in der Größe. Sie erkannte Ställe, davor Plätze, auf denen Männer trainierten, die meisten mit nacktem Oberkörper. Einige übten mit Schwertern, andere mit den bloßen Händen, wieder andere hatten einen Bogen in der Hand. Sie erkannte unter den Trainierenden auch Soldaten, die sie auf der Reise begleitet hatten. Staub und Schweiß standen in der Luft.
    »Aufgepasst, Männer!«, donnerte Lord Otis‘ Stimme über den Platz. »Antreten!«
    Die Männer ließen augenblicklich von ihrem Training ab, und der Platz füllte sich mit Soldaten. Sie sah Sendad, Lemar, Wilbor, Timbor und Eremis, konnte hingegen Egris und Oriander nicht entdecken.
    »Dies«, Lord Otis wies auf Levarda, »ist Lady Levarda. Prägt Euch ihr Gesicht ein, damit es in Zukunft keine Probleme mehr mit der Identifizierung dieser Dame gibt.«
    Sie wusste nicht, wie viele männliche Augenpaare sich auf sie richteten. Am liebsten wäre sie im Erdboden versunken und einfach verschwunden. Sie konnte sich nicht entscheiden, ob sie die Mannschaft ansprechen, was sie überhaupt mit der Situation anfangen sollte. Sie wusste einzig und allein, dass dieser Mann neben ihr sich in ihrer Unsicherheit aalte und sich gerade unvergleichlich wohlfühlte. Er kostete den Moment aus, wartete, bevor er weitersprach.
    »In Ordnung, ihr kennt sie jetzt. Macht Euch wieder an die Arbeit.«
    Levarda machte auf dem Absatz kehrt und schlug den direkten Weg zurück ins Quartier der Frauen ein. Er holte sie nicht ein, sondern folgte ihr in gewissem Abstand.
    Den Kopf gesenkt, bemühte sie sich, den Mann nicht zu hassen, der sie so gedemütigt hatte. War sie für ihn ein Gegenstand, den man herumzeigte, den Männern präsentierte wie – ja, wie was? Sie benutzte ihre Augen nicht, fand mühelos den Weg zurück durch die Gänge und stand schließlich vor der Eingangstür zum Frauentrakt.
    »Ihr braucht mich nicht hineinzubegleiten«, erklärte sie kurzangebunden. »Seht es als einen Test für Eure Männer an.«
    »Ihr habt ein erstaunliches Ortsgedächtnis, Lady Levarda«, bemerkte er mit einem Hauch echter Anerkennung, die seine nachfolgenden Worte sofort zunichtemachten: »Die Soldaten in der jetzigen Schicht kennen Euch allerdings noch nicht alle.«
    Sie drehte sich um und starrte ihn an. »Ihr habt doch nicht vor, mich von Turm zu Turm zu schleppen?«
    »Korrekt. Und die Mauern entlang. Wäret Ihr nicht so eilig zurückgerannt, hätten wir auf dem Rückweg die Hälfte durchgehabt.«
    Sie sah ihn an. Welchem Zweck mochte dieses Theater dienen? War das wirklich notwendig, damit sie in Zukunft den Trakt der Hofdamen ohne Probleme betreten konnte, oder sollte sie für ihren Widerspruch bestraft werden? Wenn Letzteres der Fall war, hatte er Pech. Sie würde ihm nicht den Gefallen tun, sich weiter aufbringen zu lassen. Diese Genugtuung gönnte sie ihm nicht.
    »In diesem Fall übernehmt Ihr am besten wieder die Führung, werter Lord.«
    Ein diabolisches Grinsen zuckte über sein Gesicht, als er sich umdrehte und voranschritt. Natürlich nahm er nicht den unteren Gang durch die Dienstbotenquartiere, vermied auch den Weg über Lady Eluis‘ Gemächer, und lief stattdessen mit ihr durch den Flur mit den Räumen der Hofdamen. Jedes zart gehauchte ‚Guten Morgen, Lord Otis‘, nahm er mit einem kurzen Nicken zur Kenntnis, ignorierte aber die schmachtenden Blicke, die ihn trafen. Als Levarda peinlich berührt ihre Schritte verlangsamte, packte er sie am Arm und zog sie mit sich.
    Sie sah das schadenfrohe Grinsen der anderen Frauen, wagte aber diesmal keinen offenen Widerstand. »Lasst mich los«, forderte sie ihn nur leise auf.
    »Versprecht Ihr, keinen Ärger mehr zu machen und in Zukunft gehorsam zu sein?«, fragte er, indem er sie fester packte und ihren Arm schüttelte.
    Mit einer gewissen Genugtuung stellte Levarda fest, wie wenig er sich selbst noch im Griff hatte, war aber klug genug, dies mit Vorsicht zu genießen.
    »Ich verspreche Euch, den Rundgang mitzumachen.«
    »Etwa anderes hätte mich auch überrascht.«
    Er stieß ihren Arm von sich. Dort wo seine Hand ihn umschlossen hatte, verspürte Levarda Schmerzen, etwas, das sie

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