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Licht und Dunkelheit

Licht und Dunkelheit

Titel: Licht und Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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»Wofür ist das?«
    Levarda wusste sich nicht zu erklären, wieso der Übermut sie packte. Es mochte an all ihrer Frustration über die Art und Weise liegen, wie er mit ihr umsprang, seiner Ignoranz, Überheblichkeit, seiner Kälte oder der Tatsache, dass er hemmungslos Frauen dem Henker auslieferte. Alles, was sich in ihr aufgestaut hatte, verschaffte sich Luft. Sie verringerte ein wenig ihren Schutzschild, sodass ihre Aura durchschimmern konnte. Seine Körperhaltung für den Fall einer notwendigen Flucht beobachtend, trat sie einen Schritt auf ihn zu, und unwillkürlich wich er zurück.
    Ihre Augen hielten ihn unerbittlich fest, während sie abwartete, bis er wenigstens ein oder zwei Züge von dem Duft der Blüten eingeatmet hatte. Sie konnte die Wirkung in seinen Pupillen, die sich weiteten, ablesen.
    Zufrieden lächelte sie ihn an. »Ist es so furchtbar, dass sich eine Frau Zärtlichkeit von ihrem Gemahl wünscht? Dass sie liebkost werden möchte? Geküsst? Diese Pflanzen bewirken nicht mehr als das, was Ihr jetzt verspürt, Lord Otis, nichts weiter als das unstillbare Verlangen nach einer Frau und das Bedürfnis, sich mit ihr zu vereinigen.«
    Sie wich zurück, bevor er die Beherrschung verlieren konnte, doch er hatte sich im Griff. Er war noch gefühlskälter, als es ihr erschienen war. Sie selbst hingegen brachte die Erregung in ihrem Inneren völlig durcheinander. Sie hielt es für angemessen, das Weite zu suchen, musste aber erst noch etwas loswerden.
    »Ich habe einen Eid auf die Göttin Lishar geleistet, ich habe geschworen, dass ich niemandem etwas zuleide tue. Für Euch mag das keine Bedeutung haben, Lord Otis. Für mich ist es hingegen mehr als eine Frage der Ehre, den Schwur zu halten, denn er entscheidet, ob ich mein Leben in Frieden beenden kann oder ob ich durch die Hölle gehen muss.«
    Damit ließ sie ihn stehen.

Alltag
    A m nächsten Morgen hatte Levarda aus den zufriedenen Gesichtern der Frauen geschlossen, dass ihnen gefiel, wie Lord Otis sie behandelt hatte.
    Von Lady Eluis wusste sie, dass er unter den unverheirateten Hofdamen als begehrtester Junggeselle galt.
    Als sie Lady Smira sah, atmete Levarda auf. Ihre Augen glänzten, die Wangen waren rosig und sie lächelte zufrieden. Also war die Nacht nach ihren Vorstellungen verlaufen. Es beruhigte sie, dass ihre Cousine Gefallen an ihren Ehepflichten gefunden hatte. Die Erinnerungen von Adrijanas Schicksal brannten in ihrem Herzen und der Gedanke, Lady Smira hätte es ähnlich ergehen können – nein, daran wollte sie besser nicht denken.
    Lady Eluis ließ sich an diesem Tage genauso wenig sehen wie an den darauffolgenden.
     
    Dass sie Lord Otis in den nächsten Tagen nicht mehr zu Gesicht bekam, brachte Ruhe in Levardas Alltag. Sie war entschlossen, sich in das träge, eintönige Leben der Hofdamen einzufinden, hielt dabei ihren Geist mit dem Lesen des Heilkräuterbuchs wach und disziplinierte ihren Körper mit den Übungen der Elemente, sodass er seine Kraft nicht verlor. Sie nahm an der gemeinsamen Handarbeit der Frauen teil, die an einer Decke für den Abendtisch des hohen Lords stickten. Der Grundstoff besaß eine dunkelblaue Farbe, und mit unendlich winzigen Stichen nähten sie in regelmäßigen Abständen die Symbole des Herrscherhauses und der Garde ein.
    Während Levarda die Arbeit als solche gefiel, weil sie Konzentration und Genauigkeit erforderte – und hier bewies sie vor allem bei dem Pferd besonderes Geschick –, war das Gerede der Frauen zermürbend. Alles drehte sich um die zur Verfügung stehenden Heiratskandidaten und allerlei Klatsch aus den Familien der Herrschaftshäuser. Neben Serafina zu sitzen, empfand sie als erträglich. Diese folgte zwar dem Tratsch, aber ohne allzu viel dazu beizutragen, was Levarda ihr nicht genug zugutehalten konnte.
     
    Fünf Tage nach dem Fest erhielt Levarda Besuch von Lady Eluis‘ Zofe, die sie in deren Gemächer bat.
    In ihrem Aufenthaltsraum saß die alte Dame in einem Sessel, eine Decke über sich geworfen. Ihr Gesicht war erschreckend blass und ihre Haut zeigte einen grauen Schimmer. Obwohl draußen die Sonne an Kraft gewann, hatte ein Diener das Feuer im Kamin entfacht.
    Levarda zog sich einen Hocker heran und ließ sich bei den Füßen der alten Dame nieder, die daraufhin tief aufseufzte.
    »Ach Kind, es tut mir leid, dass ich Euch so lange allein den Hofdamen zum Fraß vorgeworfen habe.«
    »Macht Euch darüber keine Gedanken. Was ist mit Euch?«, fragte Levarda sanft

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