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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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jeden Anflug von Vertraulichkeit vermieden, selbst wenn sie ihm nur einen Teller reichte. Er machte eine Bestandsaufnahme seines beschädigten Körper und seines beschädigten Ansehens und fragte sich, was er einer Frau bieten könne, deren Körper und Ehrgefühl ein so kraftvolles Ganzes bildeten.
    Sie musste aus seinem Haus und dieser Operation verschwinden. Wenn er vorher noch Zweifel gehabt hatte, waren sie nach seinem erniedrigenden kleinen Wutanfall gestern
Abend verflogen. Er benahm sich wie ein Idiot. Und er war so alt und angeschlagen, dass er sich mit seinem verliebten Getue nur lächerlich machen konnte.
    Er stand auf, zahlte und fragte auf Arabisch nach der Toilette.
    »Die Toilette ist verstopft«, sagte er, als er zurückkam. »Könnte ich aber erst ein Ortsgespräch führen, bevor Sie den Klempner anrufen?«
    Der Kellner war ein grauhaariger, mittelalter und unscheinbarer Mann. Aber als ihre Blicke sich über die Theke hinweg für einen Moment trafen, hatte Gavi plötzlich die unangenehme Eingebung, dass er einem Menschen gegenüberstand, der viel zu intelligent war, um Tische abzuwischen.
    »Das darf ich eigentlich nicht …« Aber er stellte bereits das Terminal auf die zerkratzte Theke.
    Gavi rief die Nummer an, ließ zweimal klingeln und legte wieder auf. »Niemand zu Hause«, sagte er, bevor er ging. »Aber trotzdem danke.«
    Zwei Stunden später stieg er in einem schmalen, schmierigen Apartmentgebäude in der Ibn-Batula-Straße die Treppe hinauf.
    Er klingelte und wartete ab, während unsichtbare Augen ihn musterten und unsichtbare Hände ihm die Tür öffneten.
    Ein junger Mann erwartete ihn in den Schatten hinter der Tür. Er sah aus wie ein Jeschiwa-Student, strahlte aber eine kaltblütige Selbstgewissheit aus, die auch seine dicke Brille nicht ganz verbergen konnte. Gavi hob die Arme, lehnte sich an die Wand und ließ die Durchsuchung über sich ergehen, die nie oberflächlich genug war, als dass man sie für eine bloße Formalität halten konnte. Anschließend stieg er die Treppe in den dritten Stock hinauf, betrat das vertraute Zimmer, schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen.
    »Hallo, Gavi«, sagte der Mann im Lehnstuhl.

    Gavi blickte in die traurigen Augen des Mannes, den er mehr liebte und hasste, als er je seinen eigenen sanften, kühlen Vater geliebt oder gehasst hatte.
    »Hallo, Didi.«
     
     
     
    K urz, nett und selten. So hatte Didi ihre Treffen am liebsten.
    »Es ist schwierig, ein Doppelleben zu führen«, hatte er gesagt, als sie das erste Mal gemeinsam in diesem Zimmer gesessen waren. »Es ist eine große Versuchung, sich für emotionale Unterstützung oder auch nur für eine kurze Pause von der Einsamkeit auf die eigene Selbstbeherrschung zu verlassen. Aber jedes Treffen bietet eine neue Gelegenheit, sich eine Kugel einzufangen. Wenn du also dieses Zimmer verlässt, darf es für dich nicht mehr existieren. Ich darf für dich nicht mehr existieren. Je weniger wir die Einheit des Lebens stören, das du führen sollst, umso weniger riskieren wir, uns zu verraten.«
    Jetzt sah Didi ihn an und lächelte.
    »Wie geht es dir, Gavi?«
    Gavi stand auf. Er wusste zwar, dass sie sitzen sollten, war aber zu nervös dafür. »Wie geht’s den Mädchen?«, fragte er und zwang sich dabei zu aufrichtigem Interesse, unterdrückte den Anflug von Missgunst, die immer in ihm hochkam, wenn er mit der anstößigen und deprimierenden Tatsache konfrontiert wurde, dass andere Leute Kinder hatten.
    »Es geht ihnen gut, Gavi. Du siehst müde aus.«
    »Ich bin müde.«
    Didis sanfter Blick ruhte auf ihm, aber war es die Besorgnis eines alten Freundes oder nur die kühle Professionalität eines Katsa , der den Zustand einer wertvollen Ressource einschätzte? Und warum stellte Gavi sich nach zwei Jahren, die diese Sache schon andauerte, immer noch diese Frage?

    »Weißt du von Li?«
    »Ich hab’s gerade erfahren.«
    »Weißt du, wer es getan hat?«
    »Noch nicht.«
    »Deine Maulwurfsjagd nimmt hässliche Züge an. Ist dir schon der Gedanke gekommen, dass Li, wo immer sie sein mag … dass sie dort gelandet ist, weil dein Kontrastmittel jemandem zu heftig zugesetzt hat?«
    »Es ging mir durch den Kopf.«
    »Ist das alles? Es ging dir nur durch den Kopf? Wie der Wetterbericht?«
    »Ich muss meine Arbeit machen.«
    »Das ist ziemlich kaltherzig, Didi. Sogar für deine Verhältnisse. «
    »Wenn du dich besser dabei fühlst, mir ein schlechtes Gewissen einzureden, nur zu.«
    Gavi ließ den Kopf

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