Lichtschwester
Mund kam. Da nickte die Kriegerin erneut. »Ja«, sagte sie dann, wies ihre leeren Hände und fuhr kalt fort: »Die Dei-Gilde ist so tot wie ihre Göttin. Und du bist jetzt ohne jeden Rückhalt und Schutz, Imadrail.«
Jetzt glomm etwas vage Menschliches in Imadrails Augen auf, wurde aber gleich wieder von deren kaltem, inhumanem Licht überstrahlt.
»Du bist gekommen, um mich zu töten«, stellte er fest, ohne jeden fragenden Unterton. Sie gab ihm trotzdem eine Erklärung: »Ja. Ich muß dich töten. Denn das habe ich, wie du ja weißt, vor vielen Jahren geschworen.« Damit zog sie einen der Dolche aus der Schärpe, die sie schräg über der Brust trug. »Aber meine Ehre ... gebietet mir, dir zu erlauben, dich selbst umzubringen.« Imadrail starrte auf die scharfe Schneide. Da schwebte der Dolch zu ihm. Er faßte ihn mit zitternder Hand, musterte flüchtig seine stählerne Klinge und schüttelte leicht den Kopf. Sogleich zerfiel der Dolch wie ein trockener Erdklumpen zu Staub. »Du bist eine alte Närrin, kleine Nemesis, und nun auch ohne jede Chance und Hoffnung.«
Die Frau senkte ihren Kopf und sprach: »Ich werde ... ich muß ... dich töten.«
Ein dünnes Lächeln huschte über sein Gesicht, und er antwortete:
»Wie willst du das anstellen? Ich bin unsterblich, und das auch ohne die Gilde.« »Du warst einmal ein Mensch.«
Er nickte kaum merklich. »Vielleicht. Aber seit ich den habe ...« - der Stein in seiner Stirn sprühte rote Funken des Zorns - »... kann mir der Tod nichts mehr anhaben. Ich war einst ein Mensch und daher auch dem Tod unterworfen, aber das ist vorbei... Denn das ist der Stein des Lebens.« »Der Stein des Todes.«
»Der Stein des Lebens, den ich von Tetkiris selbst empfing, gibt mir Unsterblichkeit und immerwährende Macht über mein Volk.«
»Oh, dieser Stein des Todes, von Deis Hand, hat dich zum lebenden Leichnam gemacht, deine Seele an diesen Leib aus Staub gefesselt. Sieh dich doch an! Du bist zu schwach, um auch nur deine Hand zu heben, und für ewig an diesen Thron gekettet. So hast du dich nun schon dreißig Jahre selbst überlebt ...«, sagte sie kopfschüttelnd und faßte nach einer der Silbersträhnen, die ihr Haar durchzogen. »Selbst ich bin darüber schon alt geworden.« Jetzt zeigte sie mit dem Finger auf ihn. »Sollte ich heute scheitern ... meine Tochter wird es wohl nicht.«
Seine Augen flackerten erneut auf. »Du hast eine Tochter?« fragte er mit körperloser Stimme.
Die Frau nickte. »Sie heißt Ysanne. Nach ihrer Großmutter.« Die Stille, die nun eintrat, schien die ganze Halle zu füllen. »Dann versuche doch, mich zu töten.«
Die Kriegerin zog ihre schimmernden Schwerter und machte sich zum Angriffbereit.
Langsam, langsam umkreiste sie nun die skelettartige Kreatur, die unbeweglich auf dem Thron saß, ihr bloß mit den Augen folgte, und dann schlug sie blitzschnell zu.
Aber die beiden Klingen prallten von einer unsichtbaren magischen Mauer ab und brachen in tausend Stücke. Die Frau warf es so hart zu Boden, daß ihr alle Rippen schmerzten - und sie überzeugt war, daß zumindest eine gebrochen war. Da lachte er, daß es von den Wänden widerhallte. Aber sie machte sich zornroten Gesichts zur nächsten Attacke bereit. Sie zog ihre Dolche und warf sie nach ihm, einen um den anderen. Aber denen erging es wie ihren Schwertern, nur daß sie zu Staub - statt in scharfe, ihr um den Kopf fliegende Splitter - zerfielen. Als ihr nur noch einer blieb, mußte sie sich auf ihre letzte, die verborgene Waffe besinnen.
Während er ihr noch ins erhitzte und gerötete Gesicht lachte, zog sie aus einer am Leib getragenen Geheimtasche einen wasserklaren Kristall, der im selben Rhythmus pulsierte wie jener Stein in der Stirn des Königs. Sie sah, wie sich seine Augen weiteten, als er eine der heiligen Waffen Tetkiris' in ihrer Hand erblickte, sah, daß der blutrote Stein zornentbrannt aufflackerte, und hörte, wie Ima-drails Gelächter erstarb - und da schleuderte sie den Kristall wie einen Dolch nach ihm.
Der helle Stein sauste durch die Luft, durchbrach die unsichtbare Wand, zerschellte dann aber, eine Handbreit vor seinem Gesicht.
»Du siehst«, schrie er, »selbst die mächtigsten Waffen können mir nichts anhaben. Ich bin die Macht und die Unsterblichkeit ... Ich bin ein Gott!«
Da erhob die Frau ihre Stimme gegen die des Todessteins und rief:
»Du warst mein Vater!«
Damit sprang sie
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