Liebe auf Arabisch
unter Männern zu existieren, ohne wahrgenommen zu werden.
Rachid begleitete uns, wir liefen hinter ihm her. Ich hatte das Gefühl, mich in eine Saudi zu verwandeln, ein Haustier, um das man sich kümmerte, das man ernährte und spazieren führte.
Ich war schon einmal in der Stadt gewesen, nachdem ich meine Schulung beendet und mit dem Job angefangen hatte. Mit meinen Freundinnen, die sie in- und auswendig kannten, entdeckte ich sie neu. Während wir durch die von Bäumen gesäumten Straßen mit glitzernden Wolkenkratzern aus Eisen und Glas liefen, beobachtete ich die bunte Menschenmenge, die vielen Ausländer und die ganze Modernität, die durch unseren mittelalterlichen Aufzug umso kontrastreicher wirkte. Es kam nicht infrage, ein Foto zu schießen, das war offiziell verboten. Auch wenn man sich leicht ein Fotohandy auf dem Schwarzmarkt beschaffen konnte, waren die Geräte verboten, ganz besonders in Privathaushalten, wo man am einfachsten Fotos von entblößten Gästen machen und sie in Umlauf bringen konnte.
Das Einkaufszentrum brummte geradezu vor Frauen, die durch die Hallen flanierten, die Rolltreppe nahmen, sich in Restaurants setzten oder in die Spielzonen für Kinder. Hier sprechen einzig die Augen. Die Männer halten den Blick gesenkt, die Frauen nutzen dies aus, um sie in Ruhe durch ihre großen Markensonnenbrillen zu beobachten.
»Guck mal, der da drüben ist gut gebaut«, flüsterte Soha.
»Ungewöhnlich für einen Asiaten, die sind doch meisten eher klein«, antwortete ich.
»Ich frage mich, wie sie im Bett sind«, gab Soha zurück. »Wenn ihr Ding proportional zu ihrem Körper ist, können sie ja nur eine einzige Enttäuschung sein«, prustete sie los und wurde augenblicklich vom Blick eines bärtigen Ordnungshüters zum Schweigen gebracht, der ganz in unserer Nähe vorbeiging.
»Jeder weiß doch, dass die Größe eines Mannes auf seinen Schwanz schließen lässt«, flüsterte ich.
»Du irrst dich, meine Liebe«, sagte Farah. »Die Kleinen sind am besten ausgestattet. Gott vergisst nie, eine Ungerechtigkeit an anderer Stelle auszugleichen …«
Ich fand es äußerst amüsant, dass die Männer uns für harmlose Schatten mit gesenktem Blick hielten, während wir sie ungeniert beobachteten und sogar Wetten auf die Größe ihrer Geschlechtsteile abschlossen. Statt den Niqab als Gefängnis zu erleben, entdeckte ich seine Vorzüge. Ich trug ihn zum ersten Mal in meinem Leben. Ich gebe zu, dass ich etwas schlechter Luft bekam, da er Mund und Nase bedeckte, dass ich trotz der Ratschläge meiner Freundinnen das eine oder andere Mal stolperte, trotz alledem gab ich mich dem Genuss hin, zu sehen, ohne gesehen zu werden. So viele Männer konnte ich beobachten, ohne dass sie auch nur die leiseste Ahnung hatten!
Und obwohl wir unsichtbare Schatten waren, völlig isoliert von der Außenwelt, entging uns nicht das kleinste Detail: die enge Straße, eine unscheinbare verschnörkelte Wand, die Rinde einer Palme, der angespannte Muskel eines Mannes, ein Barthaar im Rückspiegel.
Ich befand mich in der Rolle des Voyeurs, der ungesehen in seinem Schlupfwinkel sitzt. Ziemlich gemütlich! Und mehr noch: Ich wurde selbst von meiner Lust überrascht,
die Männer zu beobachten, als täte ich es zum ersten Mal. Und mir wurde ganz plötzlich klar, dass ich sie tatsächlich noch nie so gesehen hatte. In Marokko konnte ich zwar ohne Schleier herumlaufen, doch man hatte mir beigebracht, die Männer nicht anzusehen. Ich hatte Nachholbedarf!
Unter meinem Niqab konnte ich die Männer mit Blicken verschlingen und über sie fantasieren. Ich fragte mich, ob es nicht besser wäre, die Männer zu verschleiern, um sie vor der weiblichen Lust zu schützen. Als hätte sie meine Gedanken gelesen, bestätigte Farah mit einem Flüstern:
»Wenn Frauen sichtbare Erektionen bekämen, hätten wir beim Anblick dieser Schönlinge jetzt alle einen Ständer. «
Wir gingen in Richtung der Bekleidungsgeschäfte. Um uns herum liefen die Männer vor den gleichen schwarzen Schatten her und verlangsamten ihre Schritte, wenn die letzteren vor einem Schaufenster stehen blieben. Wenigstens begleiteten sie ihre besseren Hälften nicht zur Anprobe auf die Toilette, eine gängige Praxis, da die meisten Geschäfte keine Umkleidekabinen hatten.
Vor dem Laden, in den Soha einen Blick werfen wollte, hatte sich bereits eine Schlange gebildet, draußen die Männer, drinnen die Frauen.
Farah schlug vor, auf einer Bank vor dem Geschäft zu warten.
»Guckt
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