Liebe auf den ersten Klick
mit Brillantohrste ckern, die sich mit ihren Bugaboos bei Starbucks treffen … na ja, das vielleicht nicht, trotzdem hätte mein Baby alles, was es sich nur wünschen kann.
Ich versuche, mir ein Baby mit Robs schönen blauen Augen vorzustellen, aber es gelingt mir nicht recht. Ich lasse den Kopf auf die Tischplatte sinken.
Im Traum schlendere ich über irische Felder mit Max’ Baby im Tragetuch an meiner Brust. Er ist wunderschön, mein Sohn, mit Grübchen, brauner Haut und den wirren schwarzen Locken seines Vaters …
Das Nächste, was ich mitbekomme, ist Regs Hand, die mich wachrüttelt.
Früher dachte ich immer, allein die heldenhafte Fähigkeit, Menschen gesund zu machen, lasse Ärzte sexy wirken, doch dieser Vertreter seiner Zunft sprengt mit seinem roten Zinken und dem schalen Kaffeeatem jede Statistik. Und sein Assistent, der mit hängenden Schul tern und zitternden Fingern daneben steht, ist auch nicht viel besser. Sie reden über Nana, als würden sie ein schreckliches Geheimnis hüten, und geben ledig lich einzelne Hinweise preis, damit wir erraten, was ihr fehlt. Schlagworte wie Blutuntersuchung und Pleuraerguss fliegen Reg und mir um die Ohren.
»Was genau wollen Sie uns damit sagen?«, unterbreche ich sie.
»Na ja, eigentlich sagen wir den Leuten nicht, sie sollen sich auf das Schlimmste vorbereiten, aber wir können eine Sepsis leider nicht ausschließen.«
»Heißt das, sie stirbt?«
»Eine Sepsis ist eine Komplikation, die bei älteren Patienten mit Lungenentzündung relativ häufig vorkommt und zu achtzig Prozent der Grund für einen tödlichen Verlauf ist …« Der Assistent plappert nach, was in seinem Lehrbuch steht.
»Wird sie sterben?«
»Das können wir im Moment nicht sagen. Aber möglicherweise ist eine Bluttransfusion notwendig, die wir jedoch nicht ohne schriftliche Einwilligung durchführen können.«
»Was auch immer Sie für richtig halten, Herr Doktor …« Mit brüchiger Stimme greift Reg nach dem Stift.
»Ich bin ihre nächste Angehörige«, fahre ich ihn an. »Was meinen Sie damit, Sie können es nicht sagen?«
»Miss Summers, der Zustand Ihrer Großmutter ist ernst. Die nächsten beiden Tage entscheiden darüber, wie es weitergeht.«
»Aber heutzutage sterben doch die Leute nicht mehr an Lungenentzündung. Sie müssen irgendetwas falsch gemacht haben.« Die beiden wechseln einen »Aha. Mal wieder eine Expertin«-Blick. »Ich weiss das, ich habe es gegoogelt.«
»Miss Summers, ich habe auch gegoogelt, außerdem habe ich sieben Jahre Medizin studiert und praktiziere seit zehn Jahren. Wir tun unser Bestes für Ihre Großmutter, das können Sie mir gern glauben. Wir halten Sie auf dem Laufenden«, erklärt der mit dem Zinken, ehe die beiden hinter dem Vorhang verschwinden.
Reg ist den Tränen nahe und zu nichts zu gebrauchen. Ich sehe Nana an. Ihre Haut ist bläulich fahl und auch ihre geschlossenen Lider. Ich drücke mein Gesicht an ihre Wange.
»Halt durch«, flüstere ich. »Geh nicht, Nana. Du musst bei mir bleiben. Ich brauche dich.« Ich blinzle nicht länger gegen meine Tränen an. Noch vor einer Woche habe ich ihre Anwesenheit für selbstverständlich betrachtet. Was für ein Luxus!
Reg legt mir die Hand auf die Schulter. »Sie wird schon wieder«, beteuert er. »Sie geht nirgendwohin. Das lassen wir nicht zu, stimmt’s?« Er zieht mich an sich. Sein Hemd riecht nach Seife, und sein Herz schlägt an meinem Ohr, stetig und stark. »Ist schon gut. Ist schon gut.«
Er streichelt meinen Rücken. Am liebsten würde ich mich an ihn schmiegen und hemmungslos in Tränen ausbrechen, doch stattdessen versteife ich mich und mache mich von ihm los. »Mir geht’s gut. Alles klar. Ich brauche nur ein bisschen frische Luft«, sage ich und wische mir die Tränen ab.
»Viv, hast du jemanden, der sich um dich kümmert?«, fragt er. Ich sehe die Besorgnis in seinen Augen.
»Ich bin erwachsen, Reg. Ich brauche keinen, der sich um mich kümmert«, schnaube ich. Wie altmodisch. Kümmern! Ich wende mich ab und lasse ihn stehen.
Draußen legt sich die feuchte Abenddämmerung über die Vororte. In der Ferne türmen sich dunkle Gewitterwolken. Der Geruch nach Regen liegt in der Luft. Ich mache mich auf den Weg zur U-Bahn-Station. Dieses Herumsitzen im Krankenhaus, wo Reg wie ein Schatten an mir klebt, tut mir eindeutig nicht gut. Nein, ich muss weg. Nachdenken. Ich weiß, dass ich Nana in letzter Zeit vernachlässigt habe. Rob hat sich nie ernsthaft für sie interessiert, und
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