Liebe auf den ersten Klick
wieder hinunter – vorsichtiger, als ich gedacht hätte. Ich betrachte die zerfurchte Haut seines Nackens, und mit einem Mal erscheint er mir irgendwie verletzlich. Beim Gedanken daran, wie gemein ich zu ihm war, überkommt mich ein schlechtes Gewissen.
»Sie ist im Garten. Soll ich dir das abnehmen?«
Ich weiß nicht recht, was ich sagen soll. »Ist sie … Geht es ihr gut?«
»Munter wie ein Fisch im Wasser. Und kommandiert schon wieder alle herum.« Er lacht. Unsere Blicke begegnen sich. Er sieht erschöpft aus.
»Herzlichen Glückwunsch«, sage ich.
»Danke, Vivienne.« Er hebt das Kinn und sieht mich an, als warte er nur darauf, dass ich irgendeine Boshaftigkeit hinterherschiebe.
»Ich meine es auch so. Ich freue mich wirklich für euch beide.«
»Danke. Das bedeutet ihr bestimmt sehr viel.« Zum ersten Mal fällt mir auf, wie wunderschön seine dunklen Augen sind.
»Außerdem wollte ich noch sagen … Es tut mir leid. Im Krankenhaus war ich gar nicht nett zu dir. Ich glaube, es war … na ja … der Schock.«
Er drückt meine Schulter. »Halb so wild. Geh nur raus zu ihr. Sie freut sich schon so auf dich.«
Der Garten ist kaum wiederzuerkennen: Die Terrasse ist gefegt, der Rasen gemäht, und die Rosen stehen in voller Blüte. Überall wurden neue Blumen und Sträucher gepflanzt. Sogar der steinerne Engel ist frisch gesäubert. Reggie hat sich mächtig Mühe gegeben. Ich bleibe kurz stehen und warte, bis sich meine Augen an das helle Sonnenlicht gewöhnt haben. Nanas winzige, zerbrechliche Gestalt sitzt im Rollstuhl im Schatten des Birnbaums. Bei ihrem Anblick muss ich an meinen letzten Besuch denken – sie und Max mit ihren komischen Hüten und den Cocktails. Unvermittelt habe ich einen dicken Kloß im Hals. Ich gehe zu ihr hinüber, sorgsam darauf bedacht, mir meine Sorge um sie nicht anmerken zu lassen. Mein Blick streift ihre knochigen Finger und ihr dünnes Haar. Trotz der Hitze liegt eine bunte Häkeldecke über ihren Knien.
»Nana.«
Sie schaut auf. »Viv!« Ich gehe vor ihr in die Hocke und greife nach ihren Händen. »Hallo.« Lächelnd streicht sie mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ich habe keine Ahnung, wie ich mit der Situation umgehen soll.
»Was ist denn das?«, frage ich mit einer Geste auf den Rollstuhl.
»Ach, ich weiß auch nicht. Nicht gerade der letzte Schrei für eine künftige Braut, was?«
»Aber es könnte sich durchsetzen.«
Sie lächelt und mustert mich von oben bis unten. »Du hast abgenommen«, stellt sie fest.
»Aber nicht so viel wie du.« Ich nehme ihr Handgelenk.
»Nein. Na ja …«
Ich beuge mich vor, um ihre weiche Wange zu küssen. »Willkommen zu Hause, Nana. Und herzlichen Glückwunsch zur Verlobung.«
»Danke.« Sie hält inne. »Wie schön, dass du dich mit uns freust, Viv.« Für einen kurzen Moment sehe ich das alte Feuer in ihren Augen aufflackern. Und einen Funken ihres Humors, den ich so sehr liebe.
»Ich meine, es geht alles ein bisschen schnell, aber …«
»Tja, manchmal muss eben erst etwas passieren, was einem so richtig Angst einjagt, damit man den Hintern hochbekommt.«
»Da könntest du recht haben.«
Reg kommt mit einem Tablett voller Getränke, das er auf der Treppe abstellt. Die beiden kabbeln sich kurz, dass er einen Tisch heraustragen soll, worauf er sich summend auf den Weg macht. Nana ertappt mich dabei, wie ich Reg beobachte.
»Er ist ein guter Mann. Und sehr nett«, sagt sie. »Und er hat noch ein paar Jährchen vor sich.«
»Um ihn mache ich mir auch keine Sorgen.« Ich drücke lächelnd ihre Hand.
»Und meinetwegen brauchst du dir auch keine zu machen«, erklärt sie mit einem Anflug von Empörung, als wäre sie noch nie im Leben krank gewesen.
»Eigentlich hätte ich ja gedacht, dass ich vor dir heirate.«
»Tja. So ist es nun mal. Irgendwas Neues an der Rob-Front?«
»Nein, und es wird auch nichts Neues geben.« Ich lächle Reg zu, der mit einem kleinen Kartentisch auf die Terrasse geschlurft kommt, ihn neben Nanas Rollstuhl abstellt und sich umdreht, um ihr Glas zu holen.
»Aber doch nicht diesen Tisch, Reg! Ich habe den aus der Küche gemeint.«
Er verdreht die Augen. »Möchte jemand Fruchtpunsch?«, fragt er und hält den Krug in die Höhe.
»Ist das kein Pimm’s?«
»Nein, mein Herz, weil der Arzt sagt, dass du keinen Alkohol trinken darfst. Was du auch ganz genau weißt.«
Schnaubend lässt sie den Blick über den Rasen schweifen. »Seht euch nur die Pflaumen an!« Wir wenden uns in die Richtung, in
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