Liebe auf den ersten Klick
die sie zeigt. »Der Baum bricht fast zusammen unter der Last.«
Ich stehe auf, um mein Glas von Reg entgegenzunehmen.
»Ich würde gern einen Toast ausbringen«, verkünde ich. »Auf dich, Nana, und auf dich, Reg. Und auf die Liebe.« Sie lächeln einander an – voll tief empfundener Freundschaft und Zuneigung. Ich hebe mein Glas. »Und darauf, dass ich endlich meinen Liebsten finde … wo auch immer er stecken mag.«
»Eigentlich ganz lecker«, stellt Nana fest und leert ihr Glas in einem Zug. »Obwohl ein Schuss Gin nicht schaden würde.«
»Was ist nun mit eurer Hochzeit?«, frage ich. »Habt ihr den Heißluftballon gebucht?«
»Ach«, lacht Nana. »Der Rollstuhl ist ein bisschen zu schwer dafür, fürchte ich.«
»Wo soll die Feier dann steigen?«
»Den offiziellen Teil erledigen wir auf dem Standesamt, aber die eigentliche Zeremonie soll hier im Garten stattfinden. Das hier ist unsere Kathedrale.« Reg macht eine ausschweifende Handbewegung. »Unter der Gartenlaube geben wir uns das Jawort. Ringsum stellen wir Stühle für die Gäste auf, das wird unser Gang zum Altar.«
»Klingt gut.«
»Du führst mich doch zum Altar, Viv?«, fragt Nana.
»Aber natürlich.«
»Allerdings wirst du mich im Rollstuhl schieben müssen, fürchte ich.«
»Das mache ich. Wir können gern schon mal üben.« Ich packe die Griffe, um eine Runde auf der Terrasse zu drehen. Der Rollstuhl lässt sich leichter bewegen als gedacht, sodass Nana vor Schreck zusammenzuckt, als es ruckartig nach vorn geht. »Ich kann dir auch beim Brautwalzer helfen, wenn du willst.« Ich mache einen kleinen Schwenker zur Seite. »Aber was machen wir, wenn du im letzten Moment kalte Füße bekommst? Wir könnten eine Art Signal vereinbaren. Wenn du deinen Brautstrauß hochhältst, kehren wir sofort um und kratzen die Kurve.«
»Dazu wird es nicht kommen«, protestiert sie empört und bekommt einen Hustenanfall, der eine gefühlte Ewigkeit andauert. Reg reicht ihr eine Serviette, die sie sich vor den Mund hält und irgendetwas darin verbirgt.
»Wie lange musst du noch in diesem Stuhl sitzen?«
»Bis ich wieder bei Kräften bin.«
»Also nicht mehr lange«, sage ich.
»Genau«, bestätigt sie zwinkernd.
Es ist bereits später Nachmittag, als ich die Tür zu meiner Wohnung aufschließe. Da ich schon früh aufgebrochen bin, sind die Vorhänge noch zugezogen. Es riecht durchdringend nach Katze. Dave kommt angeflitzt und unternimmt einen Ausbruchsversuch, indem er sich zwischen meinen Beinen und der Tür hindurchschlängelt, aber ich erwische ihn im Treppenhaus und trage ihn zurück in die Wohnung. Die Katzentoilette quillt über. In der Spüle steht schmutziges Geschirr.
Ich ziehe die Schlafzimmervorhänge zurück, damit die Sonne durch die ungeputzten Fenster scheinen kann. Wenigstens hat Dave heute nicht alles in Schutt und Asche gelegt. Trotzdem geht mir meine Wohnung auf die Nerven – der Wäschekorb, dessen Deckel nicht richtig passt, das fensterlose Badezimmer und die tropfende Dusche. Nicht dass die Wohnung übel wäre, nein, aber ich hatte eben eine andere Bleibe im Sinn: eine große Küche mit einem riesigen Tisch, voll spielender Kinder und einem Hund. Zumindest war das meine Fantasie von einem Leben mit Rob. Jetzt, wo ich weiß, dass ich Max liebe, erscheint mir das Leben wieder spannend, voller Verheißung, voller aufregender Möglichkeiten. Wenn ich ihn doch nur endlich finden würde … Ich lasse mich auf die Bettkante plumpsen.
Was, wenn er mich nicht mehr liebt? Ich rufe mir unsere letzte Begegnung ins Gedächtnis – nicht in der Galerie, sondern davor, als alles noch rosarot war. Er würde mich immer lieben, hat er gesagt. Aber beim Gedanken an sein Gesicht bei der Ausstellung überkommt mich tiefe Scham. Ich habe ihm wehgetan. Angewidert lasse ich den Blick über das Chaos rings um mich herum schweifen, bücke mich und hebe die leeren Keksschachteln vom Boden auf. Ich hätte mir nie vorstellen können, meine eigene Großmutter zum Altar zu führen, andererseits – spielt es überhaupt eine Rolle, was ich mal dachte? Ich dachte auch, ich würde Rob lieben. Ich dachte, Max sei ein Loser in ständiger Geldnot. Ich dachte, meine neue Wohnung sei cool und lässig. Ich bemerke Kratzspuren an einem der Stuhlfüße. Ich dachte, eine Katze zu haben würde Spaß machen. Offensichtlich ist kein allzu großer Verlass auf das, was ich denke.
Ich gehe in die Küche. Es nervt mich, dass mein Kühlschrank ständig leer ist. Ich öffne ihn,
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