Liebe auf den ersten Klick
bin, und einer der Stammgäste – ich glaube, er hieß Norman – meinte sogar, er könne sich nicht vorstellen, dass es eine nettere Frau geben könnte als mich. Und so machen wir uns, angestachelt von den Lobeshymnen, auf den Weg zum Empfang.
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Hochzeitsetikette
1. Keine Streitereien
2. Kein Besteck klauen
3. Keine Spontanansprachen
4. Kein Sex auf der Toilette
5. Keine störenden Zwischenrufe
6. Keine Schauspieleinlagen
7. Kein Pole-, Line- oder Breakdance
8. Keine Alkoholexzesse
9. Kein unaufgefordertes Singen
10. Kein Plappern oder SMS-Schreiben während der Ansprachen
11. Kein Posten von peinlichen Fotos der Braut auf Facebook
12. Keine Haustiere
13. Keine Kinder (es sei denn, auf dem Gelände befindet sich eine Hüpfburg)
14. Keine Erwachsenen in der Hüpfburg
»Bereit?«, fragt Max, beide Hände um den Türknauf des Saals gelegt.
»Absolut«, quietsche ich. Er reißt die Tür auf. Leider ist es der falsche Eingang. Eine freundliche Kellnerin führt uns um die Ecke zur richtigen Tür, sodass wir uns unbemerkt unters Volk mischen können.
Max pflückt zwei halb volle Gläser vom Tablett eines vorbeikommenden Kellners. Eines reicht er mir, kippt den Inhalt seines eigenen in einem Zug hinunter und nimmt sich gleich ein zweites. Ich tue dasselbe. Schon viel besser! Ich lasse den Blick über die plaudernden Gäste schweifen, kann Rob jedoch nirgendwo entdecken. Die Räumlichkeiten gehören zu einem altehrwürdigen Grandhotel mit dunklen Wandvertäfelungen und schweren Brokatvorhängen. Die Wände der prunkvollen Lobby zieren Porträts augenbrauenloser starräugiger VIPs aus dem 18. Jahrhundert, und in der Mitte führt eine ausladende Freitreppe à la Vom Winde verweht nach oben.
In diesem Augenblick erscheint ein Mann im Kilt mit einem Dudelsack auf der obersten Stufe, stimmt »Wild Mountain Thyme« an und marschiert erhaben herab, dicht gefolgt von Jane und Hugo. O Gott! Auch Hugo trägt einen Kilt aus grünem Karostoff, der knapp über seinen klobigen Knien endet. Dazu trägt er grob gestrickte weiße Strümpfe, die von federbesetzten Bändern an Ort und Stelle gehalten werden. Seine Waden sehen aus wie Klavierfüße. Jane hat ihren Schleier abgenommen und trägt nun ein funkelndes Diadem auf dem Kopf. Lächelnd nehmen sie die Pfiffe und den Jubel der Gäste zur Kenntnis.
»Ist der Typ Schotte? Das wusste ich ja gar nicht!«, ruft Max.
Das Brautpaar schreitet, begleitet vom Klicken der Kameras, durch die sich teilende Menge und tritt durch die Doppeltüren am anderen Ende des Saals. Ich weiche ein paar Schritte zurück und lasse mich gegen eine dekorative Heizkörperverkleidung sinken. Mir ist leicht schwindlig, außerdem sind diese Absätze eindeutig zu hoch für mich. »Hinsetzschuhe«, so würde Lucy die Dinger bezeichnen. Der Dudelsackspieler erscheint neben der Tür und kommt mit einem leicht misstönenden Akkord zum Ende, dann lässt er sein Instrument sinken.
»Ladys und Gentlemen, würden Sie sich bitte in den Speisesaal begeben, wo Sie das Hochzeitsmahl erwartet.«
Max nimmt meinen Arm und schiebt ihn unter seinen. »Aber hallo! Mit dem größten Vergnügen, ich bin kurz davor zu verhungern«, erklärt er und schleift mich über einen Teppich mit Rosenmuster, das sich plötzlich vor meinen Augen zu verschieben scheint. Einer von Hugos Brüdern hat sich in einen Anzug gezwängt und steht am Eingang, um den Gästen die Tische zuzuweisen. Wir nennen unsere Namen, worauf er uns zu unserem Tisch begleitet. Max schüttelt ihm kräftig die Hand. »Sie müssen mächtig stolz sein.«
Die runden Tische der Hochzeitsgäste sind im Halbkreis um den Brauttisch arrangiert, um einen bestmöglichen Blick auf das glückliche Paar zu gewährleisten. Unserer befindet sich ganz am Rand. Im ersten Moment bin ich ein wenig gekränkt: Eigentlich hatte ich gedacht, Jane und ich stünden uns nahe, andererseits haben wir uns über Hugo und Rob kennengelernt, die zusammen Rugby spielen, deshalb ist er in diesem Fall wohl der engere Freund. Der Speisesaal ist ein Traum aus Weiß und Silber, flankiert von zwei riesigen Schwanenskulpturen aus Eis, und die Decke voller schwebender perlmuttfarbener Luftballons mit flatternden Silberbändern. Auf den mit gestärkten Leinentüchern gedeckten Tischen stehen Kristallvasen mit duftigen weißen Rosen, umgeben von Silberkonfetti, Seifenblasenflakons und Tischfeuerwerk. Jeder Platz ist mit einer raffiniert gefalteten Serviette und einem kleinen, in Glitzerpapier
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