Liebe auf den ersten Klick
hinterlassen Sie mir eine Nachricht nach dem Signalton oder drücken Sie die Rautetaste, um mit meiner Sekretärin verbunden zu werden. Danke und auf Wiederhören.«
Diese wunderbare, wunderbare Stimme. Ich will nur hören, wie er seinen Namen sagt. Ich lege auf und wähle gleich noch einmal.
»Sie haben den Anschluss von Robin Waters …«
Und noch einmal. Und noch einmal. Und noch einmal und noch einige Male mehr.
12
Der Zusammenbruch: Teil II
1. Stell dich nackt vor den Spiegel, hol tief Luft und sag ganz ruhig: »Ich bin eine Kriegerprinzessin und verdiene es, geliebt zu werden. Beim nächsten Mal werde ich stärker und besser sein.«
2. Wiederhole den Satz.
3. Besorg dir ein Haustier, eine Pflanze oder etwas anderes zum Liebhaben.
4. Fang eine neue Sportart an.
5. Räum deine Wohnung um.
Ich schlage die Augen auf und sehe den Boden unter dem Sofa vor mir. Mein Blick fällt auf einen goldenen Ohrring, den ich schon seit einer Ewigkeit vermisse, auf einen leeren Teller, jede Menge Staub und eine zerknüllte Socke. Mein Kopf fühlt sich an wie eine Walnuss, die von den Kiefern eines Nussknackers zermalmt wird. Die Sonne, die durchs Fenster scheint, hat den Raum in einen Hochofen verwandelt. Die Fasern des Wollteppichs kratzen. Ich rolle mich auf den Rücken. Staubpartikel tanzen im Schein der brennenden Deckenlampe. Rechts von mir funkelt der Inhalt der Wodkaflasche wie kühles klares Gebirgswasser. Ich stelle sie auf und registriere, dass der Pegel nur wenige Zentimeter über dem Flaschenboden liegt. Heilige Scheiße. Das war ja eine ganze Menge.
Ich versuche, mir den Abend ins Gedächtnis zu rufen. Ich glaube, ich bin nach Hause gekommen und habe mich volllaufen lassen. Okay, es war nicht gerade mein allerbester Tag, aber immerhin war ich zu Hause und habe mich nicht in aller Öffentlichkeit zum Narren gemacht. Das ist wenigstens etwas. Ich liege reglos da und konzentriere mich auf meinen Körper, während der Schmerz und der Kater im Doppelpack über mich herfallen. Etwas drückt gegen meine linke Schulter. Sorgsam darauf bedacht, meine Augäpfel möglichst nicht zu bewegen, rücke ich ein Stück zur Seite und stelle fest, dass ich auf meinem Handy liege. Ich hebe den Kopf ein paar Zentimeter und spähe aufs Display. Ich habe Rob zehnmal angerufen! Erschöpft lasse ich das Telefon auf meine Brust fallen. Sofort zuckt der Schmerz durch meinen Schädel und fährt wie ein Blitz durch meine Augen. Ich bin der letzte Loser! Wieso, wieso, wieso kann ich meine Finger nicht vom Telefon lassen, wenn ich getrunken habe? Es endet jedes Mal unweigerlich in einer Katastrophe – so wie damals, als ich versucht habe, mich mit Ginger Roge zu versöhnen, meinem Ex aus Kindertagen, der inzwischen schwul ist.
In dieser Sekunde vibriert mein Handy und stimmt seinen fröhlichen Rufton an. Ich drücke wahllos auf die Tasten. Aufhören. Einfach nur aufhören.
»Hallo?«, krächze ich.
»Hi, hier ist Rob.«
Ein Banner entrollt sich in meinem Kopf: ER WILL DICH ZURÜCK! Cool bleiben, ganz cool bleiben, ermahne ich mich.
»Ja? Was kann ich für dich tun?«
»Als Erstes könntest du aufhören, mich pausenlos anzurufen und aufzulegen.«
»Oh, habe ich das getan? Tut mir leid. Wahrscheinlich habe ich auf dem Telefon gesessen und hatte die Tastensperre nicht drin.«
»Aha. Na ja … Alles in Ordnung mit dir?«
»Mit mir? Ja. Mir geht’s gut.«
»Ich dachte, du bist vielleicht ein bisschen durcheinander. Du weißt schon, wegen gestern Abend.«
»Nein. Alles bestens. Ich bin gerade auf dem Sprung – zum Joggen.«
»Du joggst?«
»Ja. Ich versuche, jeden Tag eine halbe Stunde zu schaffen. Und es macht sogar richtig Spaß.«
»Ich kann mir dich gar nicht beim Joggen vorstellen, Viv.«
»Ich bin gerade beim Aufwärmen. Meine hintere Oberschenkelmuskulatur macht mir ein bisschen zu schaffen. Auf die muss ich aufpassen.«
»Tja, dann will ich dich nicht aufhalten. Aber du hörst auf, mich anzurufen, okay? Sam war nicht allzu begeistert – wir hatten uns gerade einen Film angesehen.«
Ich spüre, wie mein Herz in Stücke zerreißt, als wäre es ein alter Scheuerlappen.
»Neeeiiin. Auf keinen Fall.« Ein Schluchzer formt sich in meiner Brust und schnürt mir die Luft ab.
»Okay, aber wo wir gerade telefonieren … Ich habe noch ein paar Sachen von dir. Irgendwelchen Krimskrams. Was soll ich damit machen?«
»Krimskrams?«
»Du weißt schon, Fotoalben, die zwei Terrassenpflanzen und den roten Sessel.«
»Aber den
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