Liebe auf eigene Gefahr Roman
niemandem aus.«
»Klar, natürlich!«, zwinge ich mich zu sagen. »Nein, ich meinte nur …«
»Nach Kristi.« Er starrt an mir vorbei und kaut auf seinen aufgesprungenen Lippen herum. Der Wind nimmt an Schärfe zu und zaust die braun gewordenen Nesseln entlang des Zauns. Ich bete, dass er mich davonweht, über das Feld hinweg, den ganzen langen Weg nach Kalifornien.
»Nein, absolut verständlich. Das hier war nur für die Schule. Ich wollte nicht …«
Er geht davon, zu seinem Fahrrad, und tritt den Ständer hoch, während ich fieberhaft nach einer Möglichkeit suche, die Situation zu retten, nach einer Möglichkeit, meine Worte zurückzunehmen. Er zieht seine Mütze aus der Tasche und setzt sie auf, dann fängt er mit leiser Stimme wieder an zu reden. »Ich sollte langsam nach Hause fahren, meine Mutter möchte, dass ich heute Abend den Weihnachtsschmuck und das ganze Zeug vom Dachboden hole.«
»Ja, geh nur. Meine Mom wird jede Sekunde hier sein, also …«
»Vielen Dank für die Führung.« Er schaut mich an, bevor er das Bein übers Fahrrad schwingt. »Ich mein’s ernst, Katie.«
»Klar«, bringe ich heraus.
Er sieht aus, als wollte er noch etwas anderes sagen, lässt es dann aber. Stattdessen dreht er sich um und rollt mit knirschenden Reifen über den Kies, dann tritt er in die Pedale und fährt auf der Straße davon.
Meine Augen brennen, mein ganzes Ich brennt, während Jake Sharpe immer kleiner wird. Drei Blocks entfernt kommen die Schweinwerfer unseres Minivans in Sicht. Reglos bleibe ich stehen, bis Mom neben mir anhält.
Mit kaum verhohlener Neugierde lässt sie das Fenster herunter. »Und?«
Jetzt bin ich an der Reihe, auf meine Schuhe zu starren. Das Kinn auf die Brust gedrückt, steige ich ins Auto, wo mich sofort ihr Chloé-Duft umfängt. Ich beiße die Zähne zusammen und versuche, mir nichts anmerken zu lassen, versuche, sie durch Willenskraft dazu zu bringen, mich einfach nur nach Hause zu fahren. Sanft streicht ihre Hand über mein Haar, bevor sie die Kopfstütze packt und den Rückwärtsgang einlegt. »Craig Shapiro hat angerufen und wollte dich sprechen«, teilt sie mir vorsichtig mit, während sie in drei Zügen wendet. »Du sollst zurückrufen.«
NEUNTES KAPITEL
22. Dezember 2005
»Die Manicotti werden kalt, und wir sterben vor Hunger!«, ruft Dad von der Treppe hoch, während ich hastig meinen alten Kleiderschrank durchwühle – Betsey-Johnson-Bodys, Babydoll-Kleidchen, Militärjacken.
»Ich bin gleich unten!«, antworte ich und grabe endlich Moms College-Pullover aus. Ich schüttle den schwarzen Kaschmir aus, presse mir die zerknitterten dreiviertellangen Ärmel an die Brust und probiere ihn an.
Dad klopft an die Tür. »Alles okay bei dir?«
»Ja«, antworte ich kurz angebunden, als mein Kopf wieder zum Vorschein kommt. Ich bin in Eile.
Er stößt die Tür weiter auf und kommt herein, um sich auf mein Bett zu setzen, während ich über den Haufen steige, den mein nach Flugzeug riechendes Outfit auf dem Boden bildet, und darauf warte, dass er etwas sagt. Aber er bleibt stumm.
»Also permanentes Strandleben, was?«, unternehme ich einen Vorsoß und greife nach der Lord & Taylor-Tüte.
»Rund um die Uhr«, nickt er. »Das sieht aber hübsch aus.«
»Danke. Aber du bleibst doch immer auf der Terrasse unterm Sonnenschirm! Und du hasst Moskitos.«
Er krümmt die Finger. »Hast du dich im Büro abgemeldet?«
Ich schnappe mir meine alte Mason-Pearson-Haarbürste von der Frisierkommode und klopfe sie gegen den Oberschenkel, um den Staub abzuschütteln. »Nein, ich warte darauf,
dass sie eine Vermisstenmeldung aufgeben – mal schauen, ob sie mich wirklich so lieb haben.«
»Ich bin mir sicher, dass sie dich wirklich lieb haben. Ich habe dich lieb. Meistens.«
»Danke.« Ich beuge mich vor, um die Knoten des langen Flugs aus meinem von der Dusche nassen Haar zu bürsten. »Tatsächlich habe ich bei beiden Zwischenstopps Telefonkonferenzen geführt, und nachdem ich an Thanksgiving durchgearbeitet und die Sache mit Buenos Aires hinter mich gebracht habe, sollten sie es eigentlich verkraften, wenn ich zwei Tage früher in die Weihnachtsferien fahre.«
»Das ist nur fair.«
»Also, was steckt dahinter, Dad? Warum fliehst du aus diesem Bundesstaat?«
Er zieht ein Kleenex aus der Tasche. »Das fragt ja die Richtige.«
»Ha ha ha.« Während ich die Make-up-Tiegel aufs Bett kippe, erhasche ich einen seitlichen Blick auf mich im Spiegel. »Mist – da ist ein Loch.« Ich
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