Liebe deinen Naechsten - und nicht nur Ihn
weiterverschenkte, weil sie glaubte, es würde Unglück bringen, ihn zu behalten. Oder so ähnlich. So genau wusste er es nämlich nicht mehr, weil er damit beschäftigt gewesen war, sie unentwegt anzusehen. Er fand es hinreißend, wie ihre Augen beim Erzählen leuchteten, wie lebhaft sie gestikulierte und dass sie sich nicht scheute, ihre Begeisterung zu zeigen.
Irgendwann waren sie dann ins Hotel-Restaurant gegangen, um sich mit den anderen zum Abendessen zu treffen. Leider hatten sie an entgegengesetzten Enden des Tischs gesessen, über das flackernde Licht der Kerzen hinweg aber immer wieder den Blick des anderen gesucht. Danach waren sie alle zusammen an den Pool gegangen und hatten dort den Abend ausklingen lassen, aber es hatte sich keine Gelegenheit mehr ergeben, sich allein mit ihr zu unterhalten, weil Owen ständig dabei gewesen war.
»Sollen wir uns an der Poolbar was zu essen organisieren? Ich wette, da tummeln sich schon jede Menge Mädels. Die gehen doch immer total früh los, um mit ihrem Badetuch die besten Liegen zu reservieren«, meinte Owen mit Kennermiene und zog sich sein graues Nantucket-Shirt über, das er schon gestern angehabt hatte. Rhys verzog das Gesicht. Es war ihm ein Rätsel, wie man zwei Tage hintereinander dieselben Klamotten tragen konnte.
»Sicher, warum nicht«, sagte er lahm, zog die Schiebetür auf und trat gemeinsam mit Owen ins strahlende Morgenlicht.
»Ich bin übrigens ganz froh, dass wir vor Riley aufgestanden sind«, gestand Owen, als sie den muschelschalengesäumten Weg hinuntergingen. »Irgendwie ist er mir suspekt. Er hat gestern Abend ziemlich rumgeflirtet, oder?«
»Du bist eben so was von unwiderstehlich.« Rhys setzte seine Ray Ban auf und blickte zu dem zweistöckigen Hotel, das aus dieser Perspektive aussah, als wäre es mitten ins blaue Meer hineingebaut. Er konnte gar nicht sagen, wie froh er war, hier zu sein statt auf WestSea Manor, dem zugigen Landsitz seines Onkels, der einsam auf einem Hügel in Dorset stand.
»Idiot.« Owen boxte Rhys grinsend in den Oberarm. »Ich meinte, dass er ganz schön mit Baby geflirtet hat. Jedenfalls kam es mir so vor.«
Sie betraten die in dunklem Holz und Stahl gehaltene Lobby, deren Deckenventilatoren vergeblich die feucht-warme Luft durcheinanderwirbelten. Der Empfangschef nickte ihnen zu, als sie an ihm vorbei Richtung Pool gingen.
»Ich finde ihn eigentlich ganz okay. Und falls du’s vergessen hast: Du bist im Urlaub . Baby ist alt genug, um auf sich selbst aufzupassen«, sagte Rhys. Baby und Riley hatten tatsächlich ziemlich viel miteinander herumgealbert, aber das eigentliche Problem war Owen. Klar, es war hart für ihn, plötzlich zu dem Freund seiner Mutter eine Beziehung aufbauen zu müssen und gleichzeitig noch zu dessen Tochter und deren Freund. Aber Remington war ein dermaßen rotes Tuch für Owen, dass er auch Layla, mit der er bis jetzt kaum zwei Worte gewechselt hatte, und Riley gegenüber extrem voreingenommen war. Rhys hätte seinem Kumpel gern den Rat gegeben, sich einfach mal zu entspannen, aber er wusste nicht, wie er es anstellen sollte, ohne dass er sauer wurde. Vielleicht brauchte Owen ein Mädchen, das würde ihn zumindest von seinem Familienstress ablenken.
Sie schlenderten an blau-weiß gestrichenen Umkleidehäuschen und dem riesigen, amöbenförmigen Pool vorbei, um den sich weiße Liegestühle reihten.
»Hier?«, fragte Rhys und blieb auf der kleinen Terrasse vor der Poolbar stehen.
»Klar.« Owen zog sein T-Shirt aus und warf es achtlos auf einen der Bambusstühle, während sich Rhys umschaute. Bis auf einen kleinen Jungen, der von seiner Mutter überwacht neugierig eine steinerne Schildkrötenstatue begutachtete, aus deren Maul Wasser spritzte, war nichts los. Kein Wunder, um zehn Uhr morgens an Thanksgiving.
»Was darf ich den Herren bringen?«, fragte ein Kellner. Selbst sein schlichtes weißes Leinenhemd spiegelte die entspannt-luxuriöse Atmosphäre des Resorts wider.
»Ich hätte gern einen Mimosa«, sagte Rhys. »Und für ihn das Gleiche bitte«, fügte er hinzu und ignorierte Owens Schnauben. »Damit du endlich mal ein bisschen lockerer wirst«, sagte er, als der Kellner wieder weg war.
»Dieses Chica-Gesöff?« Owen lachte. »Apropos Chicas – Zeit, dass wir unsere kleine Mission in Angriff nehmen. Also, worauf stehst du so bei einem Mädchen?«
Rhys schüttelte genervt den Kopf. Musste Owen jetzt auch noch damit anfangen? Die SMS, die Hugh ihm praktisch stündlich
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