Liebe im Zeichen des Nordlichts
alles andere in seinem Leben. Eigentlich war er kein politischer Mensch. Er hatte sich nie als politisch engagiert eingestuft. Er war eben in der Tradition der demokratischen Partei aufgewachsen, genauso wie er als Katholik aufgewachsen war. Doch die Vorstellung, sich politisch zu betätigen, stieß ihn ab. Bruno gehörte nicht zu den Menschen, die sich einen Anstecker ans Revers hefteten oder einen Aufkleber an der Stoßstange ihres Wagens anbrachten. Er war ein Beobachter, das hatte er sich immer gesagt. Nur ein interessierter Beobachter. Leider war das Problem, dass man umso mehr Stellung bezog, je gründlicher man beobachtete. Und insbesondere in den letzten Jahren hatte es mehr als genug Dinge gegeben, gegen die man Stellung beziehen musste.
Der Krieg im Irak, der Krieg in Afghanistan und die Tatsache, dass es zwischen Irak, Afghanistan und dem 11 . September nicht den geringsten Zusammenhang gab. Diese mangelnde Logik brachte Bruno auf. Und dass sie alle getäuscht worden waren, störte sein Gerechtigkeitsempfinden. Offenbar war es außer ihm niemandem aufgefallen. Wenn er das Thema im Büro ansprach, blickte er in unbehagliche Gesichter und erntete meist nur ein wegwerfendes Lachen. Nun, was war anderes zu erwarten? Die Kollegen waren alle eingefleischte Republikaner und interessierten sich lediglich dafür, wie sich die Politik auf die Steuersätze auswirkte. Und dann war da ja noch Sarah Palin, ein schlechter Witz, über den Bruno leider nicht lachen konnte. Der Gedanke allein trieb ihn in den Wahnsinn. Obama musste gewinnen, er musste einfach gewinnen.
Als Bruno eine Tür knallen hörte, merkte er auf. Er drehte sich um und sah, dass Addie, einige zusammengerollte Handtücher unter dem Arm, die Treppe herunterkam.
Also hatte sie das mit dem Schwimmen offenbar ernst gemeint.
Schwimmen ist ihre Religion. Es ist das, was sie ausmacht. Sie ist Schwimmerin.
Deshalb trägt sie das Haar kurz und riecht immer nach Chlor. Ihre Heizkörper sind ständig mit Badeanzügen und Handtüchern garniert, und sie hat mehrere Schutzbrillen im Handschuhfach ihres Autos. An der Wand über ihrem Bett prangt ein riesiger gerahmter Druck, der den Swimmingpool von David Hockney darstellt. Irgendwann hat Della ihr zu Weihnachten eine DVD -Box mit Filmen von Esther Williams geschenkt. Addie hat jeden dieser Filme zigmal gesehen.
Im Winter geht sie ins Schwimmbad, aber von Juni bis Oktober schwimmt sie meist im Meer. Sie plant ihr Leben nach den Gezeiten. Sie weiß immer, wann Flut ist; dazu muss sie nicht in die Zeitung schauen.
Sie schwimmt in Seapoint und Forty Foot. Sie schwimmt sogar im Half Moon Swimming Club in South Wall, wo niemand mehr hingeht, weil es in der Nähe der Wasseraufbereitungsanlage und des Elektrizitätswerks liegt und den Leuten deshalb wahrscheinlich nicht geheuer ist. Sie schwimmen lieber auf der anderen Seite der Bucht. Für Addie ist es ein und dasselbe Meer. Die Menschen schwimmen schließlich auch im Mittelmeer, ja, sogar im Ganges, verdammt.
Von Juni bis Ende August haben hier Rettungsschwimmer Dienst. Sie halten auch Ausschau nach Hunden, die in dieser Zeit nicht an den Strand dürfen. Doch für Lola machen sie eine Ausnahme. Lola hat sich ihren Respekt verdient.
Das liegt an ihrem eleganten Schwimmstil mit hoch aufgerecktem Hals, damit der Kopf über Wasser bleibt. Und auch an den Strecken, die sie zurücklegt, und daran, dass sie immer mit Addie mithalten kann. Der einzige Hinweis auf Ermüdung ist, dass sie zu keuchen anfängt. Außerdem beschreibt sie nur so zum Spaß große Kreise im Wasser wie ein Paddelboot.
»Was für ein außergewöhnlicher Hund!«
Das war das größte Kompliment, das Lola je geerntet hat. Sie kamen gerade nach dem Schwimmen aus dem Wasser. Zwei alte Damen saßen in Badeanzügen auf der Steinbank, und eine sagte zu der anderen, was für ein außergewöhnlicher Hund Lola doch sei. Addie war so stolz darauf, die Besitzerin dieses außergewöhnlichen Hundes zu sein. Lola, der schwimmende Hund.
Von der Straße aus hatte das Meer strahlend blau und verlockend gewirkt. Doch aus der Nähe sah es abweisend aus – steingrau, aufgewühlt und eindeutig nicht einladend. Bruno bekam Bedenken.
Natürlich stürzte sich Addie sofort hinein. Sie riss sich die Kleider vom Leib, warf sie auf den Boden und marschierte die Rampe hinunter ins Meer, als gäbe es keinen Unterschied zwischen Wasser und Luft – so als seien beide ein und dasselbe Element.
Nun waren sie da
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